«Kein Alarm» wegen Corona-Sommerwelle - Vorbereitungen für Herbst Von Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa

Mit der entspannteren Pandemie-Lage in den warmen Monaten ist es
diesmal so eine Sache: Die meisten Vorgaben sind weg, Ansteckungen
nehmen erneut zu. Was heißt das für die Bürger und den Corona-Kurs?

Berlin (dpa) - Gesundheitsminister Karl Lauterbach setzt angesichts
wieder höherer Corona-Infektionszahlen auf Vorsicht aller im Sommer -
und dann auf weitere Schutzvorkehrungen für den Herbst. «Es ist nicht
so, dass wir sorglos und ohne Gegenmaßnahmen dieser Sommerwelle
begegnen können», sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Es
sei aber auch «kein Alarm notwendig». Er appellierte an die Menschen,
freiwillig Masken in Innenräumen zu tragen. Dann rechne er mit einem
Herbst, «wo wir nicht zur Normalität zurückkommen. Aber wir werden
auch nicht so eingeschränkt sein, wie wir eingeschränkt waren.»

Die Sommerwelle: Das Robert Koch-Institut (RKI) erwartet auch für die
nächste Zeit weiter steigende Fallzahlen, wie Vizepräsident Lars
Schaade sagte. Jede Welle habe bei jungen und mittleren Altersgruppen
begonnen. «Das ist auch diesmal so.» Sie pflanze sich dann fort, und
es kämen auch wieder mehr Menschen aus Risikogruppen mit Covid in
Kliniken und auf Intensivstation. Gründe für den Trend seien das Ende
vieler Schutzauflagen und dass die Variante BA.5 sich noch schneller
ausbreite als bisherige. «Die gute Nachricht ist, dass es derzeit
keine Hinweise darauf gibt, dass BA.5 zu schwereren Erkrankungen
führt als die anderen Omikron-Varianten», erläuterte Schaade.

Lauterbach warnte dennoch davor, nun Ansteckungen zu riskieren. «Die
unvorsichtige Infektion im Sommer ist keine Verheißung», sagte er
auch mit Blick auf länger anhaltende Beeinträchtigungen (Long Covid).
Da sei eine Impfung immer der bessere Weg.

Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI nun mit 427,8 an - nach 480,0
gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am
Vortag und 318,7 vor einer Woche. Allerdings ist der Wert wegen des
Feiertags Fronleichnam in mehreren Ländern wenig aussagekräftig -
Behörden meldeten Fallzahlen am Donnerstag nur sehr eingeschränkt
oder gar nicht ans RKI. Zudem gehen Experten seit einiger Zeit von
vielen nicht erfassten Fällen aus - vor allem weil bei weitem nicht
alle Infizierten PCR-Tests machen lassen. Doch nur die
PCR-Testergebnisse zählen in der Statistik.

Die Herbst-Vorbereitungen: Mit Blick auf eine wieder angespanntere
Lage will Lauterbach einen Sieben-Punkte-Plan umsetzen. «Das Ziel ist
ganz klar, dass wir besser in den Herbst hineingehen wollen als wir
das im letzten Jahr konnten und auch im Jahr davor.» Dazu gehört eine
weitere größere Impfkampagne, aber ohne einen neuen Anlauf für die im

Bundestag gescheiterte allgemeine Impfpflicht. Weitere Punkte sind
ein schnellerer Einsatz von Medikamenten bei Erkrankten und präzisere
Zuständigkeiten für Corona-Schutz in Pflegeheimen. Lauterbach sagte,
er gehe davon aus, dass Bürgertests auch im Sommer weiter genutzt
werden könnten. Bisher ist das kostenlose Angebot bis Ende Juni fix.

Sechs der sieben Punkte könnten direkt angegangen werden, machte der
Minister deutlich. Beim letzten ist das kniffliger. Da geht es um
Änderungen der Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz, die am
23. September auslaufen. Und in der Koalition lehnt die FDP schnelle
Festlegungen ab. Lauterbach kündigte an, dass er mit Justizminister
Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte noch vor der Sommerpause anstrebt -
sie könnten dann nach dem Sommer beschlossen werden. Details nannte
er noch nicht. Es sollten «Winterreifen» vorbereitet werden. Und da
werde mehr gebraucht, als jetzt an «Sommerreifen» aufgezogen sei.

Impfstoff für alle: Noch für den Sommer riet Lauterbach erneut dazu,
vierte Impfungen «großzügiger» zu handhaben - also einen zweiten
«Booster» nach dem Grundschutz mit meist zwei Spritzen. Vier von fünf

der Über-60-Jährigen hätten noch keine vierte Impfung - obwohl diese

für ein paar Monate vor einer Infektion und fast immer vor schweren
Verläufen schütze. «Die konkrete Entscheidung muss der Einzelne
treffen im Einvernehmen mit seinem Arzt.» Die Ständige Impfkommission
(Stiko) empfiehlt dies unter anderem generell erst ab 70 Jahren. Der
Vorsitzende Thomas Mertens sagte der «Rheinischen Post» (Freitag),
eine neue Stellungnahme dazu sei «erst nach dem Sommer sinnvoll».

Im Herbst sollen drei Impfstoffe angeboten werden können - und zwar
in jeweils ausreichenden Mengen. Neben einem für das klassische Virus
werden zwei erwartet, die an neue Varianten angepasst sind. «Wir
haben so viel Impfstoff beschafft, dass wir jedem jeden Impfstoff
anbieten können», sagte Lauterbach. Bei der Frage, wer welchen
Impfstoff erhält, zähle das individuelle Arzt-Patienten-Gespräch. F
ür
die Zukunft hält Lauterbach es für wahrscheinlich, dass es Impfstoffe
geben werde, «die die eigentliche Ansteckung verhindern können». Das

sei «Licht am Ende des Tunnels». Einige Wissenschaftler erwarteten
dies, andere hielten es derzeit für nicht greifbar. Es könnten
Impfstoffe sein, die sofort über die Schleimhaut wirken.