WHO: Starker Anstieg bei psychischen Krankheiten durch Corona

Die psychische Gesundheit wird seit Jahrzehnten vernachlässigt,
schreibt die WHO. Corona hat die Lage noch verschlimmert. Die
Ursachen für Depression liegen jedoch oft im Kindesalter.

Genf (dpa) - Die Corona-Pandemie hat zu einem starken Anstieg einiger
psychischer Krankheiten geführt. Die Fälle von Depressionen und
Angststörungen seien weltweit allein im ersten Pandemiejahr um 25
Prozent gestiegen, berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
am Freitag bei Vorlage ihres neuen Berichts über Mentale Gesundheit.

Fast eine Milliarde Menschen weltweit leben nach WHO-Angaben mit
einer psychischen Krankheit. Die Zahl bezieht sich auf 2019, vor der
Corona-Pandemie. Fast jeder achte Mensch war betroffen. Menschen mit
schweren psychischen Störungen sterben 10 bis 20 Jahre früher als die

allgemeine Bevölkerung, heißt es in dem Bericht.

«Psychische Gesundheit geht mit körperlicher Gesundheit Hand in
Hand», sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
«Investitionen in die psychische Gesundheit sind Investitionen in ein
besseres Leben und eine bessere Zukunft für alle.» Die mentale
Gesundheit sei Jahrzehnte vernachlässigt worden, heißt es in dem
Bericht. Alle Länder müssten mehr tun, um den Betroffenen zu helfen.

Einige der wichtigsten Ursachen für Depressionen seien sexueller
Missbrauch, Mobbing oder Schikane im Kindesalter. Dem müsse aktiv
entgegengewirkt werden: durch soziale Dienste, Unterstützung für
Familien mit Problemen und Programme für soziales und emotionales
Lernen in Schulen. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten,
Kriege, die Klimakrise und Gesundheitsbedrohungen - wie eine Pandemie
- seien Risiken, die zu psychischen Krankheiten beitragen.

Die WHO definiert eine psychische Krankheit als bedeutsame Störung
der Wahrnehmung, der Emotionsregulation oder des Verhaltens einer
Person, die in der Regel mit Stress oder Beeinträchtigungen in
wichtigen Funktionsbereichen verbunden ist. In Deutschland erfüllt
mehr als jeder vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres die
Kriterien einer psychischen Erkrankung, wie die Fachgesellschaft
DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde) berichtet. Nach ihren Angaben
zählen zu den häufigsten Krankheitsbildern Angststörungen,
Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch.

In vielen Ländern würden Betroffene immer noch schräg angesehen und
ausgegrenzt, berichtete die WHO. Es sei wichtig, Menschen mit
psychischen Krankheiten in alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens
einzubeziehen, um dem entgegenzuwirken.

In allen Ländern sei das Risiko psychischer Krankheiten bei den
ärmsten Menschen am größten, die gleichzeitig am seltensten behandelt

würden. Selbst in den entwickelten Ländern würde nur ein Drittel de
r
depressiven Menschen von Fachkräften behandelt.