Streit und wenig Konsens: WTO-Ministerkonferenz wird verlängert

Die Fronten sind ziemlich hart: Indien schält sich als Wortführer der

Entwicklungsländer heraus und torpediert Konsens über
Vertragsentwürfe. Die WTO-Chefin lässt aber nicht locker.

Genf (dpa) - Die Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) ist
angesichts eines drohenden Scheiterns um einen Tag verlängert worden.
Die Minister würden ihre Beratungen nun auch am Donnerstag
fortsetzen, berichtete die WTO am Mittwoch in Genf. Die Verhandlungen
über wichtige Handelsvereinbarungen etwa zu Corona-Patenten oder
schädlichen Fischerei-Subventionen waren nach einem
vielversprechenden Start Anfang der Woche ins Stocken geraten, wie
aus Teilnehmerkreisen verlautete.

«Die Zeit für den Abschluss sinnvoller Vereinbarungen wird knapp»,
hatte WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala am Dienstagabend gesagt. Statt
ein Scheitern hinzunehmen brachte sie die Verlängerung der Konferenz
ins Spiel, dem die Verhandlungsführer schließlich zustimmten.

Vor allem Indien und zeitweise Sri Lanka und Ägypten stellten sich in
einigen Verhandlungssträngen quer und verhinderten zunächst Konsens.
In anderen Verhandlungsrunden meldete Großbritannien Vorbehalte an,
wie es hieß. Jedes der 164 Mitgliedsländer kann Vereinbarungen
stoppen, weil die Organisation alles einstimmig beschließen muss.

«Wir kämpfen im Namen aller Entwicklungsländer, auch der Länder mit

den niedrigsten Einkommen», sagte der indische Minister für Handel
und Industrie, Piyush Goyal, im Zusammenhang mit Agrarverhandlungen.
Reiche Länder versuchten stets, für sich große Subventionen zu
ermöglichen, ärmeren Ländern aber die Chance auf Entwicklung
vorzuenthalten. Bei einem geplanten Abkommen über das Ende
schädlicher Fischereisubventionen pocht Indien auf 25 Jahre
Übergangsfrist, ehe ärmere Länder Bestimmungen umsetzen müssen.

Umstritten waren ebenfalls eine Vereinbarung über das vorübergehende
Aussetzen von Patenten auf Corona-Impfstoffe, damit mehr Länder in
die Produktion einsteigen können. Auch über eine Verlängerung der
Vereinbarung, keine Zölle auf elektronische Übertragungen zu erheben,
gab es keine Einigung. Industrieländer sind eher dafür,
Entwicklungsländer eher dagegen. Gerungen wurde auch darum, die die
WTO dringend nötige Reformen angehen soll. Selbst eine Deklaration,
dass das Welternährungsprogramm (WFP), welches Hungernde in aller
Welt unterstützt, bei seinen Einkäufen von Exportbeschränkungen
ausgenommen wird, war am Mittwoch noch nicht unter Dach und Fach.

Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten alle auf dem Tisch
liegenden Vertragsentwürfe. Sinnvolle Vorschläge seien stark
verwässert worden. Damit werde ärmeren Ländern kaum geholfen.

Experten fürchten, dass die 1995 gegründete WTO, die die Entwicklung
mit Regeln für freien und fairen Handel fördern soll, in der
Bedeutungslosigkeit versinkt. Zuletzt gelang ihr ein Abkommen 2013.
Dabei ging es um die Vereinfachung von Zollverfahren.