Mehr Tierärzte in Sachsen-Anhalt - Kammer sieht dennoch Engpass

In der Pandemie haben sich viele Menschen ein Haustier zugelegt. Die
Erwartungen sind hoch - auch an Tierärzte. Die sehen sich wachsenden
Aufgaben gegenüber. An Nachwuchs mangelt es unterdessen.

Magdeburg (dpa/sa) - Die Tierärztekammer Sachsen-Anhalt sieht trotz
einer gestiegenen Zahl von Veterinärmedizinern einen Engpass. «Die
tierärztliche Praxis hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen
Aufgabenzuwachs erfahren. Das hängt in erster Linie auch mit der
Stellung des Haustieres zusammen», sagte der Präsident der
Tierärztekammer Sachsen-Anhalt, Wolfgang Gaede. «Früher war das Tier

noch als Objekt betrachtet worden, in der modernen Zeit ist es
zunehmend Familienmitglied geworden. Das erfordert in der Folge oft
eine viel intensivere, aufwendige und an menschlichen Maßstäben
orientierte tierärztliche Versorgung.» In der Corona-Pandemie habe
zudem die Zahl der gehaltenen Haustiere nochmals zugenommen.

Die in Gommern praktizierende Fachtierärztin für Klein- und
Haustiere, Anne-Kathrin Witzlack, beobachtet die deutlich gestiegenen
Erwartungen der Tierhalter. Diese seien mehr und mehr bereit,
Diagnostik und Behandlungen für ihre Hunde, Katzen und sonstigen
Kleintiere in Anspruch zu nehmen.

Vor 20 Jahren hätten Tierhalter ihrer Einschätzung nach
beispielsweise noch abgelehnt, einer übergewichtigen, gut zehn Jahre
alten Katze mit Diabetes eine Insulinbehandlung zukommen zu lassen.
Heute sei das für viele keine Frage mehr, Laborkosten, regelmäßige
Tierarztbesuche, die Gabe von Medikamenten nähmen viele Tierhalter in
Kauf. Entsprechend seien die Praxen besser ausgerüstet mit Röntgen-
und Laborgeräten, sagte Witzlack, die auch Vorstandsvorsitzende des
Landesverbandes praktizierender Tierärzte ist. Zudem gebe es viele
Ersttierbesitzer, die hohe Erwartungen hätten und im Umgang mit dem
Tier sehr unsicher seien. Da sei viel Beratung nötig.

Derzeit sind laut Gaede in Sachsen-Anhalt rund 800 Tierärztinnen und
Tierärzte tätig, vor 20 Jahren seien es 680 gewesen. Das bedeute zwar
einen Anstieg, der aber deutlich geringer sei als im bundesweiten
Schnitt. Von jährlich etwa 900 Hochschulabsolventen würden zu wenige
in Sachsen-Anhalt tätig, sagte Gaede. Er sorgt sich um die
Altersstruktur: In Sachsen-Anhalt liege der Anteil der bis
39-Jährigen bei den praktizierenden Tierärzten bei 22,7 Prozent,
bundesweit seien es 31,8 Prozent. Die Tätigkeit als Tierarzt
insbesondere auf dem Land müsse attraktiver gemacht werden, sagte
Gaede.

Zudem sei zu beobachten, dass die Zahl der angestellten Kolleginnen
und Kollegen zugenommen hat, sie habe sich seit 2001 von 55 auf nun
196 nahezu vervierfacht. Zugleich gebe es weniger niedergelassene
Tierärzte.

In der Nutztierpraxis gingen die Bestände zwar zurück, es stiegen
dort aber die Anforderungen in der systematischen Betreuung, sagte
Gaede. «Ein Tierhalter, der kommerziell Tiere hält, ist letztendlich
ein Lebensmittelerzeuger und vor diesem Hintergrund ist es
erforderlich, die Gesundheit der Tiere, das Tierwohl und letztendlich
die Bereitstellung gesunder und gesundheitlich unbedenklicher
Lebensmittel für den Menschen zu garantieren.» Auch Kollegen in der
öffentlichen Veterinärverwaltung hätten wachsende Aufgaben. Der
Tierschutz spiele etwa eine Rolle, das Bewusstsein dafür sei
gestiegen. Ein wachsender Kontroll- und Beratungsbedarf in
Landwirtschaft und Tierhaltung sei zu bedienen.