Regierung will Deutschland auf «Corona-Wand» vorbereiten

Die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante droht immer mehr zur
Belastungsprobe für die Infrastruktur zu werden. Ausfälle könnten den

öffentlichen Verkehr oder die Gesundheitsversorgung einschränken. Die
Politik will reagieren.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will Deutschland organisatorisch
auf das rasante Wachstum der Omikron-Welle mit erwarteten
Hunderttausenden Infizierten pro Tag vorbereiten. Neben der
angekündigten Priorisierung der besonders sicheren PCR-Tests wird
dafür auch eine weitere Konzentration der Kontaktnachverfolgung auf
wichtige gesellschaftliche Bereiche erwogen. Das sagte ein Sprecher
von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag in Berlin
mit Blick auf die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz. Bund
und Länder wollen an diesem Montag die Lage angesichts der rasanten
Ausbreitung der Corona-Variante Omikron beraten. Am Freitag wurden
140 160 Neuinfektion innerhalb eines Tages gemeldet. 

Lauterbach rechnet Mitte Februar mit dem Höhepunkt der Welle mit
wahrscheinlich mehreren Hunderttausend Neuinfizierten pro Tag. «Wir
müssen mit diesen steigenden Infektionszahlen rechnen und müssen uns
organisatorisch darauf einstellen», sagte sein Sprecher. Experten
erwarten, dass die «Omikron-Wand» erst nach frühestens zwei Wochen
die Krankenhäuser erreicht.

Geänderte Quarantäne- und Testregeln sorgten dafür, dass das
öffentliche Leben noch sicher stattfinden könne, besonders in der
kritischen Infrastruktur, so der Sprecher des
Gesundheitsministeriums. Zur kritischen Infrastruktur zählen das
Gesundheitswesen, Versorgungseinrichtungen und die
Sicherheitsbehörden. Ein «Nadelöhr bei den PCR-Tests jedenfalls für

die kritische Infrastruktur» solle verhindert werden.

«Und deswegen konzentrieren wir wahrscheinlich auch die
Kontaktnachverfolgung auf wichtige Bereiche, wie es heute schon
passiert», so der Sprecher. Bereits Berlins Regierende
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte sich angesichts der
Omikron-Welle auf weniger strenge Regeln für
die Kontaktnachverfolgung ausgesprochen. Geklärt werden müsse, wo
diese noch sinnvoll sei, damit Gesundheitsämter angesichts der
Vielzahl von Fällen «fokussierter arbeiten» und entlastet werden
könnten. Giffey hatte für bundeseinheitliche Regelungen plädiert.

Offen blieb vorerst, ob der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag
erneut Beratungen des Corona-Expertenrats der Bundesregierung
vorausgehen. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane
Hoffmann äußerte sich nicht auf die Frage.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach sich dafür
aus, gegenüber früheren Wellen ein Stück weit umzudenken. Die
Infektionszahlen seien hoch, die Kliniken derzeit aber weniger
belastet, sagte er im ARD-«Morgenmagazin». «Wir haben es mit einem

neuen Gegner zu tun, deswegen muss man insoweit auch seine Strategie
anpassen.» Deutlich sprach sich Weil aber gegen eine sogenannte
Durchseuchung aus. Dies sei zynisch und bedeute, dass viele Menschen
auf Intensivstationen landen und sterben würden. Zugleich wandte Weil
sich gegen einen «totalen Lockdown».

Die CSU drang auf eine Neubewertung der Corona-Maßnahmen. «Wahr ist,
mit Omikron ändern sich die Grundlagen. Wir brauchen einen
Omikron-Check für das Corona-Management in Deutschland», sagte
Generalsekretär Markus Blume der «Welt». Auch CSU-Chef Markus Söder

plädierte in der ZDF-Sendung «maybrit illner» dafür.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte, Lehrer
und Erzieher bei einer Priorisierung von Corona-PCR-Tests mit zu
berücksichtigen, wie die GEW-Vorsitzende Maike Finnern in den
Zeitungen der Funke Mediengruppe deutlich machte. Laut einem
Verordnungsentwurf Lauterbachs sollen Proben von Beschäftigten mit
Kontakt zu gesundheitlich besonders verletzlichen Personengruppen in
Laboren vorrangig untersucht werden. Bundesbildungsministerin Bettina
Stark-Watzinger (FDP) sprach sich erneut gegen Schulschließungen aus:
«Es besteht große Einigkeit, die Schulen offen zu halten», sagte sie

der «Passauer Neuen Presse» (Freitag). 

Die vom Robert Koch-Institut (RKI) gemeldete bundesweite
Sieben-Tage-Inzidenz überschritt erstmals die Schwelle von 700. Das
RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche
am Freitagmorgen mit 706,3 an. Deutschlandweit wurden binnen 24
Stunden 170 Todesfälle verzeichnet.