Protest vor seinem Wohnhaus: Geras OB spricht von aufgeheizter Stimmung

Hunderte Menschen ziehen am Privathaus des Oberbürgermeisters von
Gera vorbei. Der spricht von aufgeheizter Stimmung und einer
bedrückenden Situation für seine Familie. Von anderen Politikern gibt
es Rückendeckung.

Gera (dpa) - Hunderte Corona-Maßnahmengegner sind am Dienstagabend
bei einem unangemeldeten Protest lautstark am Wohnhaus von Geras
Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) vorbeigezogen. «Ich war
zuhause, gemeinsam mit meiner Familie. Es war sehr laut, es war
gefühlt eine sehr aufgeheizte Stimmung, und es war insbesondere für
meine Frau und meine Kinder keine schöne Situation», sagte Vonarb am
Mittwoch in Gera. Es sei eine rote Linie überschritten worden. Nach
Polizeiangaben waren rund 1200 Menschen durch Gera gezogen. Nach
Angaben Vonarbs passierten sie dabei auch seine private Wohnadresse.

Auf die Frage, ob er sich am Dienstagabend akut bedroht gefühlt habe,
antwortete Vonarb: «Die Polizei war mit vor Ort, allerdings nicht in
einem angemessenen Verhältnis im Vergleich zur Anzahl der
Demonstrierenden.» Komme es in so einer Situation zu
Gruppendynamiken, könne immer etwas passieren. «Ob es dann dazu
gekommen wäre oder nicht: Ich will so etwas nie wieder erleben.» Er
lasse sich aber nicht einschüchtern, betonte er.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb auf
Twitter, politisch Verantwortliche zu Hause aufzusuchen und damit
ihre Wohnung und Privatsphäre zu kennzeichnen, sei nichts anderes als
Einschüchterung. «Es kann sich keiner rausreden und behaupten man
habe sich ja nur «verlaufen».» Die Geraer SPD-Bundestagsabgeordnete
Elisabeth Kaiser verurteilte den Aufmarsch und erklärte: «Dieses
Verhalten ist eine Schande für unsere Stadt und wird ihren Ruf weiter
beschädigen.» Auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund
(Grüne) nannte den Vorgang «absolut inakzeptabel».

Der Fall erinnert an eine Demonstration vor dem Wohnhaus der
sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) Anfang
Dezember. Dort hatten rund 30 Gegner der Corona-Politik demonstriert
und dabei Fackeln und Plakate getragen. Auch vor dem Wohnhaus von
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) war im Dezember zu einer
Versammlung aufgerufen worden - es erschien aber niemand vor Ort, die
Polizei hatte das Haus geschützt.

Die Polizei beschäftigt sich derzeit mit einem in sozialen Netzwerken
geteilten Video, das am Montag in Gera entstanden sein soll. Darauf
ist zu sehen, wie mehrere Polizeibeamte einen Mann am Boden fixieren.
Er liegt nach einigen Minuten regungslos am Boden. Am Montag waren
laut Polizei rund 3500 Gegner der Corona-Maßnahmen durch Gera
gezogen. Das Video zeige die Anwendung von unmittelbarem Zwang gegen
den Mann, sagte ein Polizeisprecher.

Den Angaben zufolge hatte ein 52-Jähriger einen
Bereitschaftspolizisten tätlich angegriffen. So soll er laut Polizei
auch versucht haben, einem Beamten den Einsatzstock zu entreißen.
Durch die Ausübung unmittelbaren Zwanges gegen den Mann sei der
52-Jährige kurzzeitig bewusstlos gewesen. Daraufhin sei unverzüglich
Erste Hilfe geleistet und der Mann dann ins Krankenhaus zur
ärztlichen Begutachtung gebracht worden.

Eine dritte Person habe daraufhin am Dienstag Anzeige gegen die
Beamten gestellt. Die Ermittlungen dazu liefen, hieß es. Auch gegen
den 52-Jährigen werde ermittelt, teilte ein Polizeisprecher mit.

Vonarb sagte, er erwarte, dass die Polizei die Vorgänge vom Montag -
die offenbar Auslöser für die Proteste am Dienstag gewesen seien -
aufklärt. «Und das weiß ich auch, dass sie das tun werden.» Wichtig

sei nun, nach vorne zu blicken. So wolle er kurzfristig ein
Diskussionsformat mit den Organisatoren der Corona-Proteste in Gera
ins Leben rufen, das öffentlich gestreamt werden soll.

Für den Mittwochabend kursierten Aufrufe zu Protesten in Gera vor der
Halle, in der am Abend der Stadtrat tagen sollte. Vor dem Kultur- und
Kongresszentrum kamen laut Polizei mehrere Gruppen von zusammen rund
130 Menschen zusammen. Als sich ein Aufmarsch in Bewegung setzen
wollte, hinderte die Polizei diesen daran. Daraufhin verließen die
Menschen alleine oder in kleinen Gruppen den Platz, wie ein
dpa-Reporter beobachtete. Die Stimmung blieb friedlich.

Die Polizei stellte nach eigenen Angaben von zwölf Personen die
Identitäten fest. Sie erhielten eine Anzeige wegen Verstößen gegen
das Versammlungsgesetz. Wegen Nichtanmeldens einer Versammlung
erstatteten die Beamten vor Ort eine Strafanzeige gegen einen Mann,
wie die Landespolizeiinspektion Gera mitteilte.