Opposition kritisiert Datenpanne - AfD scheitert an Corona-Regeln

Die Opposition nutzt die erste Bürgerschaftssitzung im neuen Jahr für
eine Abrechnung mit der Corona-Politik des rot-grünen Senats. Vor
allem die jüngste Datenpanne erregt Abgeordnete. Die AfD sieht sich
fest an der Seite der Ungeimpften.

Hamburg (dpa/lno) - Die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft
hat den Umgang des rot-grünen Senats mit den jüngsten Pannen bei den
Corona-Daten scharf kritisiert. Es sei Wasser auf die Mühlen der
Corona-Leugner und -Schwurbler, «dass ausgerechnet Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) über einen längeren Zeitraum mit falschen
Corona-Zahlen hantiert hat und darauf auch seine Maßnahmen gestützt
hat», sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering am Mittwoch
in einer Aktuellen Stunde. So etwas dürfe nicht passieren, nicht in
dieser Phase der Pandemie. Die FDP-Abgeordnete Anna von
Treuenfels-Frowein kritisierte, dass Tschentscher erst auf Nachfrage
zugegeben habe, dass die Inzidenzwerte zwischen Geimpften und
Ungeimpften «grob falsch» gewesen seien. Statt von sich aus
aufzuklären, habe er geschwiegen «und gehofft, dass es niemand merkt.
Die Folge ist ein großes Glaubwürdigkeitsproblem».

Tschentscher hatte sich bereits vergangene Woche für die durch die
Panne entstandene Verunsicherung entschuldigt, er äußerte sich nun im
Parlament nicht zu den Vorwürfen. Stattdessen nahm Sozialsenatorin
Melanie Leonhard (SPD) Stellung. Bis Anfang Dezember wurde in Hamburg
die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen wöchentlich
nach Impfstatus differenziert. Für die Kalenderwoche 45 (8.-14.
November) hatte die Gesundheitsbehörde bei Grundimmunisierten eine
Inzidenz von 22,0 Fällen pro 100 000 Geimpften angegeben. Für die
Ungeimpften beziehungsweise nicht vollständig Geimpften nannte sie
einen Wert von 605,2. Tatsächlich lagen die Werte jedoch bei 92,7 zu
270. Die Gesundheitsämter hatten mehr als 2000 ungeklärte Fälle
fälschlicherweise den Ungeimpften zugeschlagen.

«Das soll nicht sein, ist passiert, ist vollständig eingeräumt und
wird aufgearbeitet», sagte Leonhard. Aus den neuen Zahlen nun jedoch
zu schließen, dass Impfungen nicht angeraten seien, sei falsch. Die
Senatorin wies auch Vorwürfe zur Zahl der Corona-Patienten in den
Kliniken zurück. Es mache keinen Unterschied, ob jemand wegen oder
mit Corona im Krankenhaus liege. «Die Schutzmaßnahmen sind dieselben,
die Behandlungsintensität eventuell auch und deswegen brauchen wir
uns in derlei Debatten überhaupt nicht zu flüchten.»

Die Linken sprachen sich wie SPD und Grüne für ein solidarisches
Verhalten aus. Dem Senat warf der Linken-Abgeordnete David Stoop
jedoch vor, genau dieses Verhalten nicht zu zeigen. «Während
superreiche Hamburger Versandhändler und Logistiker ihre
Milliardenvermögen vermehren konnten, verarmen viele Menschen wegen
Kurzarbeit, Jobverlust oder Altersarmut.» Doch statt etwa eine
Vermögensteuer voranzutreiben, verkünde der Senat eine
FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, ohne die finanziellen Folgen
für arme Menschen im Blick zu haben.

Die AfD betonte ihre Solidarität mit den Ungeimpften. Fraktionschef
Dirk Nockemann nannte es einen Skandal, dass am vergangenen Samstag
eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen mit mutmaßlich mehr als
10 000 Teilnehmern verboten worden sei, eine Gegendemonstration mit
Linksextremisten aber erlaubt gewesen sei. Fraktionsvize Alexander
Wolf sagte, die Teilnehmer der ««Spaziergänge» für Impffreiheit u
nd
gegen einen Impfzwang» seien weder Corona-Leugner noch «Querdenker»
oder «Reichsbürger».

Zu Beginn der Bürgerschaftssitzung hatten sich die AfD-Abgeordneten
aus Protest gegen die coronabedingt neuen Zugangsregeln in der
Bürgerschaft auf den Balkon des Festsaals zurückgezogen und die
Sitzung von dort verfolgt. Nockemann nannte das einen «echten Akt der
Solidarität mit allen Nicht-Geimpften, die von Ihnen diskriminiert,
diskreditiert und (...) sogar verächtlich gemacht werden».

Wegen der rasant steigenden Zahl der Corona-Fälle gilt seit Mittwoch
in allen Parlaments- und Ausschusssitzungen eine generelle Pflicht
zum Tragen einer FFP2-Maske. Für Abgeordnete und den Senat gilt zudem
die 3G-Regel - also geimpft, genesen oder negativ getestet. Wer dies
nicht nachweisen kann oder will, darf die Sitzungen nur noch von
einem separaten Bereich verfolgen.

Der AfD-Abgeordneten Olga Petersen gelang nicht einmal das. Weil sie
die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Maskenpflicht nicht
erfüllte, musste sie die Bürgerschaft wieder verlassen. Eine
Parlamentssprecherin verwies auf das Schutzkonzept, das eine
Befreiung von der Maskenpflicht nur bei Vorlage eines
Original-Attests bei Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit zulasse.
«Aus diesem muss hervorgehen, warum und in welchen Situationen das
Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder unzumutbar ist.»

Petersen sprach von einem Skandal. Sie werde an der Ausübung ihres
Mandats gehindert. «Heute wurde für mich die Demokratie in der
Hamburgischen Bürgerschaft zu Grabe getragen.» Veit dagegen sagte:
«Masken sind Teil unseres Lebens geworden.» Sie schützten
nachweislich gut vor Omikron und seien deshalb auch im
Parlamentsbetrieb leider aktuell notwendig. «Begeisterung für die
Maßnahmen ist nicht erforderlich», sagte Veit.