Kretschmann tritt auf Bremse - Noch keine Entwarnung wegen Omikron Von Henning Otte und Nicole Eyberger, dpa

Machen Omikron und seine milderen Verläufe eine Rückkehr zu mehr
Normalität möglich? Kretschmann sieht die rasante Verbreitung der
Corona-Variante und ist noch nicht überzeugt. Der Nachbar ist da
mutiger.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die baden-württembergische Landesregierung will
anders als Bayern noch keine Lockerung der Corona-Regeln in Aussicht
stellen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht in den milderen
Krankheitsverläufen der Omikron-Variante einen ersten Trend, der sich
aber noch bestätigen müsse. Er könne sich zwar Lockerungen in der
neuen Corona-Verordnung zu Anfang Februar vorstellen. «Ob sie kommen,
weiß ich noch nicht», sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart.
Sorgen machen ihm die steigenden Inzidenzen durch die viel
ansteckendere Variante Omikron. Wenn sich sehr viele Menschen
infizierten, könne sich die derzeit entspanntere Lage auf den
Intensivstationen der Kliniken wieder verschärfen, warnte
Kretschmann.

Wer bleibt im «Team Vorsicht»?

Dagegen hat die bayerische Staatsregierung schon für nächste Woche
Lockerungen angekündigt, sollte sich die Lage in den Krankenhäusern
nicht wieder verschlechtern. So seien Kapazitätserweiterungen bei den
Zuschauerzahlen in Kultur und Sport möglich. Etwa sei eine Anhebung
der Maximalauslastung von derzeit 25 Prozent auf 50 Prozent denkbar.
«Ich bin gespannt, ob Markus Söder im Team Vorsicht bleibt», sagte
Kretschmann der dpa. «Ich bleibe jedenfalls im Team Vorsicht.»

Land muss Corona-«Spielregeln» an Omikron anpassen

Klar sei aber, dass die Regierung mit der nächsten Verordnung Anfang
Februar «neue Spielregeln» aufstellen müsse. Das Einfrieren der
Alarmstufe II mit scharfen Einschränkungen vor allem für Ungeimpfte
könne «kein Dauerzustand» sein, sagte der Ministerpräsident. Die
Stufe sieht zum Beispiel auch 2G plus in Restaurants vor, das heißt,
dass Geimpfte, die nicht geboostert sind, sich zusätzlich testen
lassen müssen. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) erklärte,
zentrales Kriterium für die neuen Corona-Regeln bleibe die Belastung
des Gesundheitswesens. Man müsse aber auch im Auge behalten, dass die
Regeln zumutbar und verständlich blieben.

Kretschmann will auf mehr Daten zu Omikron warten

Die Daten zu den Konsequenzen der Omikron-Variante für das
Gesundheitswesen seien aber noch nicht belastbar, erklärte
Kretschmann. Erste Trends zeigten, dass es weniger schwere Verläufe
gebe. «Das ist ein Trend, der natürlich höchst erfreulich ist, wenn
er sich denn bewahrheitet.» Er zeigte sich skeptisch, ob die
erforderlichen Daten schon bei der Ministerpräsidentenkonferenz
Anfang nächster Woche vorliegen werden. Zuletzt hatte der Virologe
und Berater der Bundesregierung, Christian Drosten, erklärt, er sehe
in der milder verlaufenden Omikron-Variante eine «Chance».

Söders breiterer Ansatz dürfte Lockerungen umfassen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will wegen Omikron künftig
einen «breiteren Ansatz» in der Corona-Politik verfolgen, der auch
gesellschaftliche und soziale Komponenten stärker beachtet. Am Montag
hieß es nach der Kabinettssitzung in München, es gebe eine «klare
Perspektive» für Lockerungen für kommende Woche. Am kommenden Montag

beraten die Ministerpräsidenten wieder mit Kanzler Olaf Scholz (SPD)
über die weitere Strategie im Kampf gegen Corona.

Wie weiter mit dem Stufensystem im Südwesten?

Zurzeit gilt im Südwesten weiter die Alarmstufe II, obwohl auf den
Intensivstationen der Krankenhäuser längst nicht mehr so viele
Covid-19-Patienten liegen wie noch vor Weihnachten. Um eine
Überlastung der Kliniken zu verhindern, hat Grün-Schwarz schon im
Sommer die Belegung der Intensivbetten und die Hospitalisierungsrate
als entscheidende Kriterien eingeführt. Letztere gibt an, wie viele
Corona-Infizierte innerhalb einer Woche und pro 100 000 Einwohner in
eine Klinik gebracht werden.

Baldige Rückkehr in Warnstufe eher ausgeschlossen

Eigentlich hätte die Regierung die Corona-Regeln gemäß seinem
Stufensystem längst lockern müssen. Demnach müsste das Land Mitte der

Woche sogar zurück in die sogenannte Warnstufe gehen, da der
Grenzwert von 390 belegten Intensivbetten dann fünf Tage nacheinander
unterschritten werden dürfte. In der Warnstufe würde dann wieder
weitgehend 3G gelten und zum Beispiel Fußballstadien könnten wieder
ganz öffnen. Solche weitgehenden Lockerungen kommen aber wohl nicht
infrage. Lucha kündigte an, man werde die Systematik in dem
Stufensystem anpassen.

Kretschmann wünscht sich Impfregister

Der Regierungschef schloss erneut aus, dass es im Zweifel eine
regionale Impfpflicht im Südwesten geben könnte. «Der Ball liegt
jetzt erstmal beim Deutschen Bundestag», sagte er. Er wünsche sich
mehr Tempo. Seine Partei, die im Bund mit SPD und FDP regiert, sei
daran nicht Schuld. «Jeder kann erkennen, dass das jetzt nicht an den
Grünen liegt.» Kretschmann wünscht sich ein Impfregister, so habe die

Impfpflicht eine «höhere Schlagkraft». Wenn es aber erstmal ohne
Register losgehe, könne er damit auch leben. In einem solchen
Register könnte der Impfstatus aller Menschen in Deutschland erfasst
werden, um einen besseren Überblick zu haben.