Rechtswissenschaftler: Bundestag hat bei Corona zu lange geschwiegen

München/Würzburg (dpa/lby) - Der Würzburger Rechtswissenschaftler
Horst Dreier hat dem Deutschen Bundestag zu zögerliches Verhalten bei
der Pandemiebekämpfung vorgeworfen. «Der Bundestag hat nach Beginn
der Pandemie sieben bis acht Monate vergehen lassen, bis er gehandelt
hat», sagte Dreier in einem Interview des «Münchner Merkur»
(Dienstagsausgabe). Bis dahin sei nur auf der Grundlage von
Verordnungen gehandelt worden. «Das hat die Normenhierarchie auf den
Kopf gestellt, weil Gesetze über Verordnungen stehen. Und das halte
ich für verfassungswidrig», sagte Dreier, der früher dem Deutschen
Ethikrat angehörte und Mitglied sowohl der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften als auch der Deutschen Akademie der Naturforscher
Leopoldina ist.

«Viele Abgeordnete wollten sich vermutlich den Schuh nicht anziehen
und keine Prügel von ihren Wählern beziehen», sagte Dreier. Die
später erlassene «Bundesnotbremse» bezeichnete Dreier als
«zentralistischen Overkill». Die Politik der neuen Ampel-Koalition
setze deutlich mehr auf das Parlament als die große Koalition vorher.
«Das scheint mir deutlich besser zu sein als vorher», sagte Dreier.
Den Wegfall der epidemischen Notlage hält er für richtig. «Ich halte

die Notlage nicht mehr für sinnvoll. Wir haben eine hohe Impfquote
von derzeit 72,5 Prozent, Omikron-Infektionen verlaufen deutlich
milder als bei Delta, und irgendwann muss mit
dem Spuk ja mal Schluss sein.»