Genesenenstatus verkürzt - Lauterbach: Warn-App jetzt wichtig Von Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa

Omikron verbreitet sich in Windeseile - und Politik und Behörden
passen die Regeln an. Geändert wurden die Vorgaben für Genesene.
Besonders wichtig ist für den Gesundheitsminister jetzt die
Corona-Warn-App.

Berlin (dpa) - Die Corona-Variante Omikron breitet sich in
Deutschland immer mehr aus - auch mit Folgen für Alltagsregelungen
wie den Genesenenstatus. Als genesen gilt man nun nur noch drei und
nicht mehr sechs Monate nach einer eigenen Infektion. Diese
Festlegung des Robert Koch-Instituts (RKI) sei aus wissenschaftlicher
Sicht erfolgt, erläuterte das Bundesgesundheitsministerium am Montag
in Berlin. Wegen Omikron bestehe ein sehr viel größeres Risiko, dann

bereits erneut zu erkranken oder Überträger zu sein.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die Pläne für
eine Impfpflicht als einzige Chance für ein Ende der grassierenden
Pandemie in diesem Jahr. Zur Dämpfung der Omikron-Welle kommt aus
Lauterbachs Sicht der Corona-Warn-App besondere Bedeutung zu.

Der Genesenenstatus:

Je mehr Menschen sich mit der ansteckenderen Omikron-Variante
infizieren, desto mehr Genesene dürfte es bald auch geben. Festgelegt
wurde nun eine kürzere Zeitspanne dafür, wie lange man als genesen
gilt. «Die Dauer des Genesenenstatus wurde von sechs Monate auf 90
Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf
hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen
im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch
stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der
Omikronvariante haben», schrieb das RKI.

In Kraft trat die neue Vorgabe am Samstag. Genesennachweise gelten
also seitdem nur noch für maximal drei Monate - laut Ministerium
formal auch schon bestehende Nachweise. Wie dies jetzt konkret zum
Beispiel bei 2G- und 3G-Zugangsregeln zu bestimmten Einrichtungen vor
Ort gehandhabt wird, liegt demnach aber bei den Ländern. Unklar ist
noch, wie die Änderung in den Apps zur Anzeige der Impfnachweise
technisch umgesetzt wird. In den Apps können Genesenenzertifikate
angezeigt werden - bislang mit dem Gültigkeitszeitraum sechs Monate.

Die Änderung knüpft an eine vom Bundesrat am Freitag besiegelte
Verordnung an, die auch den Rahmen für Quarantäneregeln neu fasste.
Genesenennachweise müssen demnach Kriterien entsprechen, die das RKI
auf einer Internetseite bekannt macht. Dazu gehört: «Das Datum der
Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage
zurückliegen». Und: «Das Datum der Abnahme des positiven Tests darf

höchstens 90 Tage zurückliegen.» Das RKI erläuterte zugleich: «Di
ese
Vorgaben werden regelmäßig überprüft und können sich gemäß St
and der
Wissenschaft ändern.» Der AfD-Fachpolitiker Martin Sichert
kritisierte, Webseiten könnten auch gehackt werden und böten damit
weit weniger Rechtssicherheit als ein Gesetz.

Die Impfpflicht:

Omikron beeinflusst auch das Ringen um eine allgemeine Impfpflicht.
«Omikron ändert die Spielregeln», sagte der Parlamentarische
Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, der
«Süddeutschen Zeitung» (Montag). «Bevor wir in der Sommersaison mit

einem Impfstoff impfen, dessen Wirkung in der nächsten Wintersaison
womöglich schon wieder abklingt und/oder von einer neuen Variante
unterlaufen wird, sollten wir uns fragen, ob es nicht sinnvoll ist,
abzuwarten, mit welcher Mutation wir es im nächsten Herbst zu tun
haben.»

Thomae reagiert auf Äußerungen des Virologen Christian Drosten.
Drosten sieht die wohl milderen Krankheitsverläufe bei Omikron als
Chance, von der Pandemie in einen endemischen Zustand zu kommen.
Voraussetzung allerdings sei eine breite Immunität, hatte Drosten dem
«Tagesspiegel» gesagt. «Das Virus muss sich verbreiten, aber eben auf

Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes», so
Drosten. Sonst würden zu viele Menschen sterben.

Lauterbach wertete die Impfpflicht als einzigen Weg, die Pandemie im
laufenden Jahr in den Griff zu bekommen und neue Einschränkungen im
kommenden Winter zu vermeiden. «Wollen wir in diesem Jahr das Ende
der Pandemie erreichen durch die Maßnahmen, die wir getroffen haben
und durch eine Impfung einer breiten Schicht der Bevölkerung, dann
müssen wir zur Impfpflicht übergehen», sagte er. Das sei «die einzi
ge
Möglichkeit». «Wir wollen einfach nicht, dass es so weitergeht wie
jetzt, nur weil eine kleine Gruppe in der Bevölkerung nicht bereit
ist, hier dem gegebenen Stand der Wissenschaft zu folgen und dem
ärztlichen Rat und dem politisch Notwendigen.»

Corona-Warn-App:

Lauterbach äußerte sich auch zur Frage, ob die Corona-Warn-App noch
praktikabel ist, wenn sich die roten Warnmeldungen häufen. «Die
Corona-Warn-App tut jetzt ihren Dienst», sagte der Minister. Dies
gelte auch, wenn sie wegen Omikron oft anschlage. «Wenn hier ein Test
veranlasst wird, ein Antigentest, oder man macht ihn zumindest
selbst, dann kann man damit das Pandemiegeschehen wesentlich
entschleunigen», sagte er. «Gerade wenn es sehr viele Warnungen gibt,
die dann zu Testungen führen, dann ist das ein ganz wichtiger
Baustein zur Entschleunigung der galoppierenden Pandemie.»

Die Omikron-Lage:

528,2 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche - auch am Montag
gab es bei der vom RKI angegeben Inzidenz einen neuen Höchstwert.
Binnen eines Tages gab es 34 145 gemeldete Corona-Neuinfektionen.
Binnen 24 Stunden wurden 30 Todesfälle verzeichnet.

Es sei wichtig, die laufende Omikron-Welle sehr ernst zu nehmen,
sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Büchner bekräftigte das akute Ziel, die «Impflücke» zu schließe
n. Von
den 79,2 Millionen Menschen ab 5 Jahren in Deutschland, die geimpft
werden können, haben bisher mindestens 60,5 Millionen den vollen
Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Impfung. Das entspricht
72,7 Prozent der Bevölkerung.

Von den besonders von einem schweren Verlauf bedrohten 24,1 Millionen
Menschen, die mindestens 60 Jahre alt sind, sind 12,3 Prozent
ungeimpft. Von den 45,3 Millionen 18-59-Jährigen sind 19,3 Prozent
oder knapp jeder Fünfte ohne Impfschutz. Mindestens eine Impfdosis
erhalten haben bisher 75,1 Prozent. Die Bundesregierung strebt eine
Quote von 80 Prozent Erstgeimpften bis Ende Januar an.