Lauterbach stimmt auf schwere Zeit ein - Inzidenz über 500er-Marke

Die Infektionszahlen steigen rasant, die Krankenhäuser bemerken das
langsam an den Patientenzahlen. Der Gesundheitsminister malt ein
düsteres Bild - und die bundesweite Inzidenz klettert auf einen nie
da gewesenen Wert.

Berlin (dpa) - In der aktuellen Corona-Welle mit der hoch
ansteckenden Omikron-Variante warnt Gesundheitsminister Karl
Lauterbach vor einer hohen Zahl an Toten und massiven Einschränkungen
bei Krankenhausbehandlungen. «Uns drohen in Deutschland sehr schwere
Wochen», sagte der SPD-Politiker der «Bild am Sonntag». «Wir dürf
en
uns mit Blick auf die aktuell sinkenden Krankenhauszahlen
insbesondere auf den Intensivstationen nicht in Sicherheit wiegen.»
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz überschritt unterdessen erstmals
die 500er-Schwelle.

Das Robert Koch-Institut meldete am Sonntagmorgen erneut einen
Höchstwert: Demnach lag der Wert der Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner und Woche bei 515,7. Zum Vergleich: Am Vortag hatte er bei
497,1 gelegen. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI
binnen eines Tages 52 504 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es
36 552 neue Ansteckungen. Die Zahl von Covid-19-Patienten in
intensivmedizinischer Behandlung sank laut Divi-Register innerhalb
eines Tages um 58 auf nun 2741. 61 Prozent davon werden invasiv
beatmet.

Die Situation in den Kliniken werde sich wieder verschärfen, so
Lauterbach. Momentan erkrankten vor allem die Jüngeren, die viele
Kontakte hätten. Wenn sich die Älteren infizierten, werde die Zahl
der Klinikeinweisungen wieder steigen. «Da kann es, je nach
Entwicklung, nicht nur bei den Intensivstationen knapp werden,
sondern auch auf den normalen Stationen. Es droht die Schließung
ganzer Abteilungen», sagte er. «Eine Durchseuchung bedeutet, dass
Hunderttausende schwer krank werden und wir wieder viele Tausend
Corona-Tote beklagen müssen.»

Der Virologe Christian Drosten sieht in der milder verlaufenden
Omikron-Variante des Coronavirus eine «Chance», in den endemischen
Zustand zu kommen. Auf die entsprechende Frage sagte der Virologe dem
«Tagesspiegel am Sonntag»: «Es wäre eine Chance jetzt, breite
Immunität vorausgesetzt.» Drosten sagte, alle Menschen müssten sich
früher oder später mit Sars-Cov-2 infizieren. «Ja, wir müssen in
dieses Fahrwasser rein, es gibt keine Alternative», sagte er. «Wir
können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den
Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten.» Das müsse das Virus
machen. «Das Virus muss sich verbreiten, aber eben auf Basis eines in
der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes» - sonst würden «z
u
viele Menschen sterben».

Die Krankenhäuser berichten bereits von mehr Patientenaufnahmen mit
Covid-Erkrankungen. «Wir sehen diesen Anstieg auf den Normalstationen
bereits in manchen Regionen, so zum Beispiel in Bremen, Berlin,
Hamburg und Schleswig-Holstein», sagte der Präsident der Deutschen
Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der «Augsburger Allgemeinen»
(Montag). «Im Unterschied zu vorangegangenen Wellen werden Patienten
in den kommenden Wochen aber wohl vermehrt in den Normalstationen
ankommen, da die Wahrscheinlichkeit, einen schweren Verlauf zu haben,
bei Omikron geringer ist.»

Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Gaß: «Wir werden elektive
Leistungen verschieben müssen.» Dies betreffe orthopädische
Operationen genauso wie Therapien für chronische Erkrankungen und
Krebspatienten. «Wir können auch nicht ausschließen, dass das in
vielen Fällen auch zu echten Schäden führt.»

Zur Debatte über eine allgemeine Impflicht sagte Lauterbach der «Bild
am Sonntag», diese sollte drei Spritzen umfassen. «Eine vollständige

Impfung besteht aus drei Dosen. Vollständig Geimpfte sind gegen alle
Corona-Varianten - zumindest vor schwerer Krankheit und Tod -
geschützt. Daran muss sich die Impfpflicht orientieren.»

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland vermisst derzeit einer
Umfrage zufolge Führungsstärke beim Bundeskanzler und einen klaren
Kurs in der Corona-Politik. 71 Prozent glauben, dass die
Bundesregierung keine klare Richtung in der Corona-Politik vorgibt,
wie eine Umfrage des Instituts Insa für die «Bild am Sonntag» ergab.

23 Prozent empfinden das Gegenteil, 6 Prozent machten keine Angaben.
61 Prozent der Befragten sagen außerdem, dass Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) zu wenig Führungsstärke zeigt. 26 Prozent sehen das
anders, 13 Prozent der Befragten machten keine Angaben. Eine
allgemeine Impfpflicht befürworten 60 Prozent der Befragten, 33
Prozent sind dagegen. Keine Angabe dazu machten 7 Prozent.