Gegner der Corona-Maßnahmen protestieren im Nordosten

Erneut gehen Menschen gegen Corona-Maßnahmen auf die Straßen. In
Schwerin versammeln sich mehr als 1000 Menschen. Demonstrationen
locken Extremisten an. Teilnehmer sollten sich nicht vereinnahmen
lassen, warnt Rostocks Polizeichefin.

Schwerin/Neubrandenburg (dpa/mv) - Im Nordosten haben erneut
zahlreiche Menschen gegen Beschränkungen in der Corona-Pandemie und
eine Impfpflicht protestiert. In Schwerin beteiligten sich daran am
Samstag laut Polizei bis zu 1070 Menschen. «Die Versammlung ist in
Bewegung, alles ist friedlich», hatte ein Polizeisprecher gesagt. Die
Teilnehmer hielten die geltenden Abstandsregeln ein. Nach einer
Auftaktkundgebung auf dem Bertha-Klingberg-Platz bewegten sie sich
durch die Innenstadt. An parallelen Protesten nahmen nach
Polizeiangaben etwa 20 Menschen teil. Beide Versammlungen blieben
friedlich. Derweil ist die Zahl der registrierten
Corona-Neuinfektionen im Land am Wochenende weiter gestiegen.

In Neubrandenburg gab es laut Polizei am Samstag eine Versammlung von
in der Spitze 570 Menschen gegen Corona-Maßnahmen. Den Angaben
zufolge hatte ein Teilnehmer augenscheinlich ein Taschenmesser dabei.
Bei einer Kontrolle fanden Beamte auch ein Klappmesser. Sie schrieben
in diesem Fall und wegen eines sichergestellten Schildes
Strafanzeigen. Bei dem Schild bestehe aufgrund der Abbildung Verdacht
der Verunglimpfung des Bundespräsidenten. Den Angaben zufolge hielten
sich die Teilnehmer größtenteils an das vorgegebene Abstandsgebot von
1,5 Metern.

Eine kleinere Versammlung gab es am Samstagnachmittag auch in Teterow
(Landkreis Rostock). Die Polizei sprach von knapp zwei Dutzend
Teilnehmern.

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Nordosten stieg am Sonntag gegenüber
Samstag um 2,3 auf 467,2, wie das Landesamt für Gesundheit und
Soziales (Lagus) in Rostock mitteilte. Sie beschreibt die Zahl der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Der Wert
der binnen einer Woche in Krankenhäusern aufgenommenen
Covid-19-Patienten je 100 000 Einwohner ging um 0,7 auf 4,9 zurück.
Am Samstag wurden 396 neue Infektionen gezählt, nach 392 eine Woche
zuvor. Nach Lagus-Angaben befanden sich am Sonntag 242
Covid-19-Patienten in Kliniken, 6 mehr als am Vortag. Ihre Zahl auf
Intensivstationen lag bei 78, einer weniger als am Samstag. Es wurden
2 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet, womit
sich die Gesamtzahl im Land auf 1572 erhöhte.

Vor den für Montag in Rostock erwarteten neuen Demonstrationen
verwies die Präsidentin des Polizeipräsidiums Rostock, Anja Hamann,
auf eine Tendenz zur Verschärfung der Stimmung. «Wir treffen immer
mehr gewaltbereite Teilnehmer, das Aggressionspotenzial steigt»,
sagte Hamann der Deutschen Presse-Agentur. Sie forderte die
friedlichen Teilnehmer auf, sich von diesen gewaltbereiten
Teilnehmern zu distanzieren. Die Polizei habe zuletzt in Rostock
zwischen 50 und 80 gewaltbereite Teilnehmer ausgemacht. Es war zu
mehreren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen,
bei denen auch Pfefferspray eingesetzt wurde. Auch Wasserwerfer waren
aufgefahren.

Die extremistischen Teilnehmer, die unter anderem aus dem Umfeld von
Hansa-Rostock-Problemfans und Rechtsextremisten stammen, versuchten,
die Demonstrationen zu instrumentalisieren. Sie träfen dabei auf
Bürger, bei denen die Frustration zunehme. «Die Haut wird immer
dünner», sagte Hamann. Es gebe starke Einschränkungen, die bei immer

weniger Menschen auf Akzeptanz stoßen. «Wir haben noch eine
schwierige Phase vor uns.»

Inzwischen würden Extremisten auch aus anderen Bundesländern nach MV
kommen. Es sei Aufgabe der Polizei, die gewalttätigen Demonstranten
von den friedlichen zu trennen. «Diese sind oft an ihrem Verhalten zu
erkennen - auch von anderen Demonstranten.» Die Polizei halte
taktische Konzepte vor, konsequent gegen die Gewalttäter vorzugehen.
«Es gibt auch die Option, diese aus der Demonstration herauszuholen.»

Nach Ansicht des Rostocker Politikwissenschaftlers Wolfgang Muno
haben die Extremisten kein Interesse an der Corona- oder
Impfdiskussion. Sie seien gegen den Staat und das staatliche
Gewaltmonopol und nutzten jede Gelegenheit, ihre Meinung kundzutun.
Gefährlich werde es dann, wenn es den Extremisten gelinge, sich mit
einigen bürgerlichen Demonstranten zu verbünden. Sie versuchten, die
Demonstranten als ihre strategischen Partner zu benutzen.

Am vergangenen Montag habe es in MV 31 Demonstrationen gegen die
Corona-Maßnahmen gegeben, die von der Polizei gesichert wurden, sagte
Hamann. Damit komme die Landespolizei an ihre Grenzen, in anderen
Bundesländern müssten auch Demonstrationen begleitet werden. Das
könne dazu führen, dass an der ein oder anderen Stelle zu wenig
Polizei vertreten sei. «Dann liegt es am Geschick der Polizeiführer
vorzudenken, was passieren wird und die Kräfte entsprechend
vorzuhalten.» Klar sei aber auch, dass die «Problemklientel» eine
offensive Gegenaufklärung betreibe und versuche, erkannte
Schwachstellen zu nutzen.