Berliner SPD-Chef Saleh: Guckt euch um, mit wem ihr demonstriert

Gegner von Corona-Maßnahmen protestieren regelmäßig auch in Berlin.
SPD-Landeschef Saleh findet, Politik müsse das aushalten. Und immer
wieder erklären, warum sie das Tragen von Masken vorschreibt oder
Impfen verpflichtend machen will.

Berlin (dpa/bb) - Berlins SPD-Fraktions- und Landesvorsitzender Raed
Saleh plädiert angesichts der Proteste gegen Corona-Maßnahmen und die
Impfpflicht dafür, Entscheidungen der Politik immer wieder zu
erklären. «Ich halte es für falsch, mit dem Finger auf die Leute zu
zeigen und zu sagen «Ihr habt alle keine Ahnung»», sagte Saleh der
Deutschen Presse-Agentur. «Man muss immer wieder argumentieren.»

Demokratie zu verteidigen mache Arbeit und erfordere Kraft. «Und es
heißt auch, dass du mit den Leuten immer wieder sprichst», so der
SPD-Politiker. «Wir müssen die erreichen, die mitlaufen, weil sie
Angst haben, weil sie Sorgen haben, weil sie glauben, Veränderungen
sind für sie eine Bedrohung.»

Dabei spielten auch Existenz- und Verlustängste eine Rolle. «Manche
werden über das Internet angefüttert mit Halb- oder Unwahrheiten.
Diese Falschinformationen müssen wir klar widerlegen, und da bin ich
mir auch sicher, dass die Leute bereit sind, sich unsere Argumente
und unsere Gründe anzuhören», so der SPD-Landeschef.

«Ich habe Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die sagen, ich
kann nicht mehr», sagte Saleh. «Es gibt mittlerweile eine gewisse
Müdigkeit, eine Corona-Erschöpfung. Es dauert schon so lange, es ist
mittlerweile eine psychische Belastung für uns alle. Und deshalb muss
Politik begründen und erklären, dass wir Masken tragen, weil sie uns
vor Infektionen schützen, und dass wir bestimmte Vorsichtsmaßnahmen
brauchen, weil freie Intensivbetten knapp werden.»

Das Problem seien nicht diejenigen, die auf die Straße gingen, um
ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. «Schwierig finde ich es aber,
wenn Menschen genau wissen, mit wem sie da auf die Straße gehen, und
sie marschieren trotzdem mit», sagte Saleh. «Wenn man weiß, an diesem

Demonstrationszug nehmen Nazis teil, dann würde ich immer dazu raten,
dass man der Demo fernbleibt», so der Sozialdemokrat. «Wenn man weiß,

dass Verschwörungstheoretiker einen Demonstrationszug anführen, muss
man sich das gut überlegen, ob man daran teilnimmt. Wenn es Menschen
gibt, die diese Situation für sich missbrauchen, dann muss man sagen:
Stopp, bis hierher und nicht weiter!»

Viele von denen, die demonstrierten, wollten tatsächlich eine gewisse
Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen artikulieren. «Und Politik
muss es aushalten, dass es Menschen gibt, die auf die Straße gehen
und ihre Meinung zum Ausdruck bringen», sagte Saleh. «Aber die
Demonstranten müssen es auch aushalten, wenn wir als Politiker sagen:
Guckt euch genau um, mit wem ihr demonstriert, ihr macht euch gerade
zum Werkzeug von Rechtspopulisten, von Nazis, von
Verschwörungstheoretikern und Hasspredigern.»

«Wen Sie nicht abholen können und wen ich auch gar nicht abholen
will, sind diejenigen, die ein festes anti-demokratisches Weltbild
haben, die bewusst Ängste schüren und bewusst mit Falschnachrichten
argumentieren», sagte der SPD-Landeschef. «Diejenigen, die solche
Demonstrationen anführen und sagen, dass sie die Demokratie
verteidigen, das sind in Wahrheit Aufwiegler und Hetzer. Die spucken
doch auf die Demokratie.»