Gericht verurteilt TÜV zu Schadenersatz in Brustimplantate-Skandal

Toulon (dpa) - Im jahrelangen Rechtsstreit um minderwertige
Brustimplantate hat das Handelsgericht im französischen Toulon den
TÜV Rheinland zu Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt. Rund 1600
klagende Frauen sollen nach dem am Freitag veröffentlichten Urteil
vom Vortag eine vorläufige Entschädigung von jeweils 5150 Euro
erhalten, in der Summe rund 8,2 Millionen Euro. Binnen zwei Jahren
soll ein Sachverständiger die Angelegenheit weiter untersuchen. Der
TÜV kündigte eine Berufung gegen die Entscheidung in erster Instanz
an. Der Rechtsstreit zieht sich in Frankreich seit Jahren in mehreren
Verfahren durch die Instanzen - mit widersprüchlichen Ergebnissen.

Der Skandal ist eine schier unendliche Saga und wurde 2010
aufgedeckt. Der inzwischen insolvente französische Hersteller Poly
Implant Prothèse (PIP) hatte jahrelang billiges Industriesilikon für
seine Implantate verwendet. Die reißanfälligen Implantate könnten
Schätzungen zufolge weltweit bei Hunderttausenden Frauen eingesetzt
worden sein - auch bei Frauen aus Deutschland. Die Opfer berichteten
etwa von Silikonkissen, aus denen das Gel herausgesickert sei.

Der TÜV Rheinland hatte als unabhängiger Prüfdienstleister das
Qualitätssicherungsverfahren von PIP zertifiziert - also das
Qualitätssiegel vergeben. Die Klägerinnen werfen ihm deshalb
Schlamperei vor. Sie argumentieren, dass der Pfusch mit
überraschenden Kontrollen hätte aufgedeckt werden könnten. Das
Unternehmen sieht sich dagegen selbst als Opfer der Täuschung von PIP
und betont, keine Pflichten verletzt zu haben.

Nach dem jüngsten Urteil von Toulon erklärte die den TÜV vertretende

Anwältin Christelle Coslin, dass der TÜV eine Haftung in der Sache
von sich weise. Dem Gerichtsentscheid ständen Urteile des
Gerichtshofs der Europäischen Union von 2017 und der
Berufungsgerichte Versailles und Poitiers aus 2021 entgegen. «TÜV
Rheinland lagen außerdem zu keinem Zeitpunkt im Rahmen seiner
Tätigkeit für PIP Anhaltspunkte dafür vor, dass die Brustimplantate
von PIP möglicherweise nicht konform waren.» Aufgabe des TÜV sei es
nach den Vorschriften nicht gewesen, einen Betrug aufzudecken.