Gericht: Handel muss Corona-Zutrittskontrollen weiter zahlen

Es dauert weniger als eine Minute, den Corona-Impfnachweis der Kunden
zu prüfen. Doch der Einzelhandel muss für das Personal an den
Zutrittspunkten Millionen blechen. Auf denen wollen die Händler nicht
sitzen bleiben. Eine Geschäftsfrau ist deshalb vor den Kadi gezogen.

Mannheim (dpa/lsw) - Nach einer Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs (VGH) müssen Einzelhändler im Südwesten
zunächst die Kosten für die Corona-Zutrittskontrollen weiter
bezahlen. Die Richter lehnten mit ihrem am Freitag veröffentlichten
Beschluss den Eilantrag einer Einzelhändlerin ab, die für die
Kontrollpflicht keine rechtliche Grundlage im Infektionsschutzgesetz
sieht. Die Pflicht besteht dem Mannheimer Gericht zufolge bis zum 19.
März. Wie es danach weiter geht, ist offen.

Der Handelsverband rügte den Beschluss. Es sei nicht einzusehen, dass
die von der Landesregierung in der Corona-Verordnung vorgesehenen
Kontrollen vom Handel und nicht vom Land finanziert werden müssen.
Die Kosten gingen in die Millionen, sagte die Hauptgeschäftsführerin
des Handelsverbandes, Sabine Hagmann. Während die Verkehrsbetriebe
einen Topf mit sechs Millionen Euro für Passagier-Kontrollen
erhielten, müsse jedes einzelne Handelsunternehmen nachweisen, welche
Kosten für die Kontrollen entstanden seien. Der Ausgleich aus der
Überbrückungshilfe 4 sei alles andere als auskömmlich. Viele
Geschäfte kapitulierten wegen des komplizierten Antragsverfahrens.
Hagmann monierte: «Da werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt -
wir fühlen uns ungerecht behandelt.»

In ihrem Eilantrag hatte die Einzelhändlerin die ihrer Branche
auferlegte Prüfung von Impfstatus und Ausweispapieren als
unverhältnismäßig bezeichnet. Neben dem Personalaufwand stelle sich
die Frage nach der Sicherheit der Kontrolleure. Sie seien Übergriffen
an den Check-Punkten ausgesetzt, so die Antragstellerin. Sie betreibt
in Baden-Württemberg mehrere Filialen im Textileinzelhandel. Hagmann
sagte, die Kontrolleure würden zu Sündenböcken gemacht. Mitarbeiter
würden beschimpft, bedroht und angespuckt. «Da gibt es wilde Szenen,
der ganze Frust wird an den Verkäuferinnen und den Beschäftigten in
der Gastronomie abgelassen.»

Der 1. Senat betont in seinem Beschluss, ohne obligatorische
Kontrollpflichten würden Nachweisverpflichtungen und
Zugangsbeschränkungen für nicht-immunisierte Menschen unwirksam. Bei
einem Verzicht auf Kontrollen sei zu erwarten, dass
nicht-immunisierte Kunden mehr Infektionen auslösen. Dies sei auch
bei einer nur stichprobenartigen Kontrolle zu befürchten, die die
Antragstellerin für ausreichend halte.

Die Entscheidung des VGH hat auch für die Landesregierung Folgen.
Reagiert sie nicht, werden die Geschäfte ab dem 20. März die
Kontrollen streichen können. Wenn das Infektionsgeschehen sich nicht
nachhaltig ändert, könnte der Bund das Infektionsschutzgesetz um
Regelungen für Kontrollen erweitern. Aber auch das Land ist nicht zur
Untätigkeit verdammt: Der Landtag müsste analog zum Bundestag eine
epidemische Lage von großer Tragweite feststellen, um die Kontrollen
aufrechtzuerhalten. Brandenburg hat das laut dem Sprecher des VGH
bereits getan. Die sich nach dem 19. März anbietenden
Lösungsmöglichkeiten hat der VGH nicht kommentiert. Der Beschluss des
VGH ist unanfechtbar (1 S 3805/21).