Oberstes US-Gericht blockiert Bidens «Impfpflicht light» für Firmen

Die Impf- oder Test-Pflicht sollte für gut 80 Millionen Angestellte
in den USA gelten. Präsident Biden sah darin einen wichtigen Weg, die
Impfquote zu erhöhen. Jetzt macht ihm der Supreme Court vorerst einen
Strich durch diese Rechnung.

Washington (dpa) - In den USA hat das Oberste Gericht eine von
US-Präsident Joe Bidens Regierung verfügte Impf- oder Testpflicht in
größeren Firmen vorerst gestoppt. Die nicht vom Parlament, sondern
auf administrativem Weg erlassene Regelung, die für mehr als 80
Millionen Arbeitnehmer gelten würde, überschreite wahrscheinlich die
Kompetenz der zuständigen Behörde, erklärte der Supreme Court am
Donnerstag. Damit müssen Firmen mit mehr als 100 Angestellten
zunächst nicht dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter entweder
vollständig geimpft sind oder regelmäßig getestet werden. Auch eine
Pflicht zum Tragen von Masken ist damit fürs Erste gestoppt.

Die Regelung für Unternehmen wurde als wichtiges Druckmittel der
Regierung gesehen, Angestellte angesichts der aufwendigen und
regelmäßigen Tests zu einer Immunisierung zu bewegen, um die
Impfquote in den USA zu steigern. Dort sind bislang knapp 63 Prozent
der Bevölkerung - oder rund 208 Millionen Menschen - vollständig
gegen das Virus geimpft. Von ihnen haben nur rund 77 Millionen, oder
37 Prozent, zusätzlich eine Auffrischungsimpfung bekommen.

Biden erklärte, er sei «enttäuscht» von der Gerichtsentscheidung,
eine «lebensrettende» und durch wissensschaftliche Erkenntnise
gestützte Regelung zu blockieren. Er werde weiter für Impfungen
werben und appelliere an Arbeitgeber, «das Richtige zu tun, um die
Gesundheit und die Wirtschaft der Amerikaner zu schützen», so Biden.

In einer weiteren Entscheidung zu einer Impfpflicht für medizinisches
Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die mit Bundesmitteln
unterstützt werden, gab das Oberste Gericht der Regierung am
Donnerstag Recht. Die Regierung sei anhand der geltenden Rechtslage
befugt, für die Gesundheit und Sicherheit der Patienten der Programme
Medicare und Medicaid zu sorgen, hieß es. Damit gilt für die
allermeisten Gesundheitseinrichtungen eine Corona-Impfpflicht. Nach
Angaben des Weißen Hauses sind davon gut 10 Millionen Angestellte in
76 000 Einrichtungen des Gesundheitswesens betroffen.

Die Impfpflicht für größere Unternehmen hätte eigentlich seit diese
r
Woche gelten sollen. Mehrere republikanisch geführte Staaten und
Geschäftsleute hatten dagegen geklagt. Nun geht die Regelung zur
abschließenden Prüfung wieder zurück an eine niedrigere Instanz.

Die Entscheidung des Supreme Courts geht auf die konservative
Mehrheit des neunköpfigen Gerichts zurück. Die drei liberaleren
Richter schrieben in einer abweichenden Meinung, dass die zuständige
Behörde (OSHA) angesichts der großen Gefahr, die von der Pandemie
ausgehe, mit ihrer Anordnung einer Impf- oder Testpflicht durchaus im
Recht gewesen sei. Die Aufgabe der Behörde sei es, Angestellte vor
«schweren Gefahren» zu schützen. OSHA gehe davon aus, dass die
Regelung im nächsten halben Jahr rund 6500 Todesfälle und 250 000
Krankenhauseinlieferungen verhindern werde. «Und es gibt keinen
Grund, das zu bestreiten», schrieben die Richter.

Die konservativen Richter betonten in einer Begründung, dass sie
nicht über die Berechtigung einer Impfpflicht an sich befunden
hätten, sondern über eine Frage der Gewaltenteilung: War die
Anordnung rechtmäßig und ist die Bundesbehörde dafür zuständig?
«Dieses Gericht ist keine Gesundheitsbehörde», schränkten die Richt
er
ein. In Fragen der Gesundheitsvorsorge hätten Bundesstaaten und
Kommunen aber weitgehende Befugnisse. Die Pandemie dauere bereits
seit zwei Jahren an, aber der Kongress in Washington habe nicht dafür
gestimmt, OSHA oder einer anderen Bundesbehörde die Macht zu
verleihen, eine Impfpflicht anzuordnen, erklärten die Richter.

«Die Frage, die uns vorliegt, ist nicht, wie auf die Pandemie zu
antworten ist, sondern wer die Befugnis hat, das zu tun», schrieben
sie. «Die Antwort ist klar: Nach heutigem Recht liegt diese Macht bei
den Bundesstaaten und dem Kongress, nicht bei OSHA», schrieben sie.