Wüst macht Druck auf Ampel im Bund - Harmonie mit der FDP in NRW Von Dorothea Hülsmeier und Volker Danisch, dpa

In der Bundespolitik bringt sich NRW-Ministerpräsident Wüst als
Gegenspieler zu SPD-Kanzler Olaf Scholz in Stellung. In NRW muss er
im Mai erst einmal die Landtagswahl bestehen. Doch von Wahlkampf will
Wüst noch nicht reden. Er ist mitten im Kampf gegen Corona.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Trotz massiv steigender Corona-Zahlen will
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Schulen
und Kindertagesstätten derzeit offen halten. Der Präsenzunterricht
habe in der schwarz-gelben NRW-Koalition höchste Priorität, sagte
Wüst am Donnerstag in der Landespressekonferenz in Düsseldorf. Einen
Plan B für den Fall, dass die Corona-Fälle in den Schulen drastisch
zunehmen, präsentierte Wüst nicht. Einen erneuten Distanzunterricht
wie im vergangenen Jahr, der Kinder und Familien belaste, wolle die
Regierung aber «soweit es irgendwie verantwortbar ist vermeiden».

In NRW ist der Schulbetrieb am Montag wieder gestartet. Aus
zahlreichen Schulen kamen Berichte von Eltern über positiv auf Corona
getestete Schüler und Schülerinnen. Belastbare Zahlen will das
Schulministerium kommende Woche vorlegen.

Auch in den Kitas sei die Zahl der Corona-Fälle deutlich gestiegen,
sagte Wüsts Stellvertreter, Familien- und Flüchtlingsminister Joachim
Stamp (FDP). Das Land sei in ständigem Austausch mit Wissenschaft und
Ärzten. «Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt der Meinung, dass wir den
Betrieb noch so weiter aufrecht erhalten können», sagte Stamp. Die
sich rasant ausbreitende Omikron-Variante sei aber eine
Herausforderung.

Harmonie zwischen CDU und FDP in NRW

Während Wüst den Druck auf die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und
Grünen in Berlin zur Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht
aufrecht erhielt, lobte der Regierungschef die gute Zusammenarbeit
mit den Liberalen in der NRW-Koalition. Sowohl Wüst als auch Stamp
erklärten, sie würden das CDU/FDP-Bündnis gern nach der Landtagswahl

am 15. Mai fortsetzen. Wüst hatte erst im Herbst den als
Kanzlerkandidat gescheiterten damaligen NRW-Regierungschef Armin
Laschet abgelöst. Derzeit sehen Umfragen die CDU und SPD in NRW etwa
gleichauf. Die FDP wird auch bereits von den Sozialdemokraten
umworben.

Aussagen zum Wahlkampf ließen sich beide Politiker nicht entlocken.
«Noch ist kein Wahlkampf», sagte Wüst. «Wir regieren dieses Land. S
o
dienen wir den Menschen gerade in dieser schwierigen Phase auch am
besten.» FDP-Politiker Stamp betonte aber auch die Unabhängigkeit der
Liberalen in NRW. «Wir haben auch nicht fusioniert», sagte er mit
Blick auf den Koalitionspartner.

Impfpflicht als Profilierungsthema für Wüst

Wüst brachte sich erneut als Sprachrohr der oppositionellen Union zur
Corona-Politik der Ampel-Regierung von SPD-Kanzler Scholz in
Stellung. Er forderte das angekündigte Gesetz zu einer allgemeinen
Corona-Impfpflicht noch im März ein. «Mir ist es wichtig, dass wir
genug Zeit haben, die Menschen noch zu erreichen und zu überzeugen,
ohne dass wir über Bußgelder sprechen müssen.» Ziel müsse aber se
in,
dass das Land im kommenden Herbst besser vorbereitet sei auf mögliche
neue Corona-Wellen als in den vergangenen zwei Wintern.

«Zu einer vorausschauenden Pandemie-Politik gehört die Vorbereitung
einer Impfpflicht», betonte Wüst, der aktuell Vorsitzender der
Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist. «Ich will, dass wir dauerhaft
aus dieser Spirale von Lockdown und Lockerung aussteigen.» Bei der
Ausgestaltung der Impfpflicht, etwa einer zeitlichen Befristung, sei
er offen.

Das Gesetz könne zudem zur gesellschaftlichen Befriedung beitragen.
Allein das Vorliegen eines Entwurfs könne bereits Akzeptanz schaffen.
Dann könne auch niemand mehr etwas in eine Impfpflicht
«hineingeheimnissen». Die Union hatte Scholz mangelnde Führung in der

Frage vorgeworfen. In der Frage der Impfpflicht hat Wüst auch den
FDP-Politiker Stamp an seiner Seite. «Zügig, aber gründlich» müss
e
diese kommen, sagte Stamp.

Rund 700 Corona-Proteste binnen vier Wochen

Wüst warnte zugleich vor der Gefahr einer Radikalisierung der
Protest-Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Er forderte die Menschen
auf, sich bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen nicht «vor
den Karren» von Verschwörungstheoretikern, Verfassungsfeinden und
Rassisten spannen zu lassen. In NRW habe es in den vergangenen vier
Wochen rund 700 solcher Versammlungen mit rund 100 000 Teilnehmern
gegeben. Das Phänomen der sogenannten Spaziergänge sei in Stadt und
Land zu beobachten. «Man kann die Spannung im Land förmlich spüren.
»
Natürlich gelte in der Demokratie das Demonstrationsrecht. Wüst
appellierte aber an die Teilnehmer: «Passen Sie auf, mit wem Sie
spazieren gehen.»

Klimaschutz als «Versöhnungsprojekt»

Der Klimaschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien ist für den
46-jährigen NRW-Regierungschef Wüst ein «Versöhnungsprojekt».
Akzeptanz müsse nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch im
ländlichen Raum geschaffen werden. Die umstrittenen Abstandsgrenzen
von Windrädern könnten von den Kommunen bei entsprechenden
Ratsbeschlüssen auch unterschritten werden.

NRW sei beim Ausbau der erneuerbaren Energien trotz schwieriger
Standortbedingungen auf den Spitzenplätzen unter den Bundesländern.
Das bevölkerungsreichste Bundesland leiste mit zahlreichen
Stilllegungen von Kohlekraftwerken einen enormen Beitrag zum
Klimaschutz. «Wir schützen das Klima, indem wir konkret handeln»,
sagte Wüst. Er verwies dabei auf den Fahrplan zu den
Kraftwerksstilllegungen in Deutschland beim Kohleausstieg.

Zum Jahreswechsel 2021/2022 seien drei Braunkohle-Kraftwerksblöcke in
NRW stillgelegt worden. Bis zum Jahresende 2022 würden weitere vier
Kraftwerksblöcke folgen. Da werde Klimaschutz sehr, sehr konkret,
unterstrich der Regierungschef. Auch bei der Stilllegung von
Steinkohle-Kraftwerken schultere NRW einen Großteil.