Holetschek: Hotspot-Regelung bis zur Kabinettsentscheidung ausgesetzt

Omikron lässt die Corona-Inzidenzen in die Höhe schießen. Mancherorts

hätte in Kürze möglicherweise wieder eine Art regionaler Lockdown
gedroht. Dem hat der Gesundheitsminister einen Riegel vorgeschoben.

München (dpa/lby) - Landkreise und kreisfreie Städte, die in den
kommenden Tagen gegebenenfalls eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1000
übersteigen, müssen das öffentliche Leben nicht automatisch
herunterfahren: Die sogenannte Hotspot-Regelung wird bis zur
geplanten Überarbeitung im Kabinett ausgesetzt. Das kündigte
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Donnerstag an.

«Ich denke, es ist richtig und angemessen, die momentan in Bayern
geltenden Hotspot-Regelungen, die an eine Sieben-Tage-Inzidenz von
1000 gebunden sind, an Omikron anzupassen», sagte Holetschek der
Deutschen Presse-Agentur in München. Jeder Tag bringe zusätzliches
Wissen und zähle für eine möglichst sachgerechte Anpassung der
Hotspot-Regelung. «Solange wird die bestehende Hotspot-Regelung nicht
angewendet», erklärte der Minister. «Ansonsten käme es wohl bereits

in wenigen Tagen in Bayern wieder zu regionalen Lockdowns.»

Die Corona-Zahlen steigen auch in Bayern derzeit rasant an, mehrere
Regionen lagen am Donnerstag bereits über der Inzidenz-Marke 600.

Nach der aktuellen Corona-Verordnung, die das Kabinett am Dienstag
verlängerte, müsste in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über
1000 das öffentliche Leben drastisch heruntergefahren werden. Unter
anderem müssten die Gastronomie sowie Beherbergungsbetriebe, Sport-
und Kulturstätten schließen. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU)
hatte bereits eine Erhöhung des Schwellenwerts angedeutet - darüber
und über weitere Details will das Kabinett kommende Woche beraten.

Dabei ist auch im Gespräch, ab einem bestimmten Wert - eventuell 1000
- die 2G-plus-Regel dann doch auch in der Gastronomie anzuwenden. Man
werde sicher auch noch einmal einen kritischen Blick auf die
Regelungen zu 2G/2G plus werfen und wo diese angemessen und notwendig
sind, auch in Bezug auf unterschiedliche Lebensbereiche von der
Gastronomie bis zur Beherbergung», erklärte der Gesundheitsminister.

«Wir werden in der kommenden Woche im Ministerrat über das weitere
Vorgehen sprechen. Dem will ich auch nicht zu sehr vorweggreifen»,
sagte Holetschek. «Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir den
heutigen Grenzwert für einen regionalen Hotspot von 1000 anheben
werden.» Dabei sollte die aktuelle Infektionsdynamik einbezogen
werden. «Das würde der veränderten Bedrohungslage durch Omikron
gerecht werden, die anders ist als bei Delta.» Man sehe etwa in
ersten Studien aus den USA, dass die Wahrscheinlichkeit eines
Krankenhausaufenthalts jedenfalls nur etwa halb so groß oder sogar
niedriger sei. Dem stünden aber auf der anderen Seite höhere
Fallzahlen und ein dynamischeres Infektionsgeschehen gegenüber.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte: «Omikron
ist nicht mehr Delta. Wir können viele Maßnahmen anders bewerten.» Es

sei deshalb sinnvoll, die Hotspot-Grenze von 1000 aus Delta-Zeiten
außer Kraft zu setzen, um keinen unnötigen Schaden in der Wirtschaft
anzurichten. «Wenn sich diese Entspannung in den Krankenhäusern
fortsetzt, besteht die Chance auf Lockerungen in Bereichen, die heute
noch stark eingeschränkt sind, von der Jugendarbeit bis zur Kultur.»

Holetschek betonte: «Hohe Belastungen des Gesundheitssystems sind
künftig erst bei höheren Inzidenzen als bisher zu erwarten. Klar ist
aber, dass wir auch weiterhin die Belegung der Krankenhäuser sehr
engmaschig im Blick behalten werden, um gegebenenfalls kurzfristig
wieder reagieren zu können.» Er warnte: «Omikron rollt weiter auf
Bayern zu.» Die Inzidenzen stiegen, und das werde auch weitergehen.

Der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und
Handelskammertags (BIHK), Manfred Gößl, lobte Holetscheks
Entscheidung. «Vor allem Gastronomen, Hoteliers sowie Betreiber von
Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen inklusive Seilbahnen müssen
nicht weiter in Unsicherheit leben, ob ihnen innerhalb weniger Tage
eine Betriebsschließung droht. Der wirtschaftliche Schaden wäre
immens und existenzbedrohend gewesen.» Die Staatsregierung müsse die
Hotspot-Regelung am Montag im Kabinett überarbeiten und auch
langfristig an die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse anpassen.

Auch der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sprach von einer
absolut richtigen und nachvollziehbaren Entscheidung: «Es geht nicht
um blinden Aktionismus, sondern um politische Entscheidungen, die auf
wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen - das begrüßen wir.»

Inzidenzwerte über 1000 waren in Bayern bisher relativ selten. Nur in
15 der 96 Landkreise und kreisfreien Städte wurde die Marke nach den
Daten des Robert Koch-Instituts schon einmal gerissen. Zum ersten Mal
war dies am 10. November in Rottal-Inn geschehen. Zuletzt lagen am 8.
Dezember noch die Landkreise Freyung-Grafenau und Weilheim-Schongau
über dieser Schwelle, seither wurde sie nicht mehr erreicht. Werte
über 1500 gab es bisher nur in zwei Landkreisen: Rottal-Inn lag am
21. November über dieser Schwelle, Freyung-Grafenau vom 20. bis 24.
November. Dort wurde am 23. November auch mit 1614,4 die bisher
höchste je in Bayern gemessene Sieben-Tage-Inzidenz erreicht.