Studie: Länder informieren mangelhaft über Qualität von Pflegeheimen Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

Wichtige Infos zu Pflegeheimen sind laut Bertelsmann Stiftung nur in
sechs Bundesländern für Verbraucher einsehbar. Wer eine Einrichtung
sucht, ist oft ratlos - zentrale Fakten fehlen. Patientenschützer
kritisieren die Bundesregierung.

Gütersloh (dpa) - Die Mehrheit der Bundesländer stellt den
Verbrauchern einer Untersuchung zufolge keine Informationen über die
Qualität von Pflegeheimen bereit. Wichtige Angaben wie zum
Personaleinsatz seien zwar in allen Ländern vorhanden, blieben aber
in den meisten Bundesländern unter Verschluss, kritisierte die
Bertelsmann Stiftung bei Vorlage der «Weissen Liste» am Donnerstag.
Vielen Menschen, die auf der Suche nach einem Pflegeheim seien,
würden damit Informationen zu wesentlichen Auswahlkriterien
vorenthalten. «Das Pflegeheim als gefährlichster Ort für hochbetagte

Menschen in der Corona-Krise bleibt eine Blackbox», sagte der
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der
Deutschen Presse-Agentur.

In zehn Ländern werden Daten, die sich aus Prüfungen der
landesrechtlich zuständigen Aufsichtsbehörden ergeben, laut Studie
gar nicht veröffentlicht. Verbraucher erfahren somit nicht, ob in
einem Heim Personal fehlt oder schwerwiegende Mängel zu beanstanden
sind, wie die Stiftung bemängelte. Ebenso ließe sich nicht
nachvollziehen, welche Einrichtungen besonders gut aufgestellt sind.

Nur Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin
veröffentlichten die Ergebnisse aktiv, so dass sie allgemein
verfügbar seien. In Baden-Württemberg und Hessen müssten die
Prüfergebnisse zumindest durch die Pflegeheime selbst veröffentlicht
werden. Allerdings seien die Daten derzeit nur in den Einrichtungen
direkt einsehbar - also nur eingeschränkt zugänglich.

Der Mangel an Transparenz entstehe entweder, weil es eine
landesrechtliche Regelung mit Veröffentlichungspflicht nicht gibt
oder aber weil vorhandene Gesetze nicht umgesetzt würden. So sei in
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen eine
Publikation der Prüfergebnisse gesetzlich nicht vorgesehen. Und die
Länder Bayern, Brandenburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und
Schleswig-Holstein würden bestehende Gesetze aus unterschiedlichen
Gründen nicht umsetzen, was «besonders gravierend» sei.

Positiv falle Hamburg auf, wo detaillierte Angaben auch etwa zu
vorübergehenden Aufnahmestopps oder Ergebnisse aus
Angehörigenbefragungen ins Netz gestellt würden. Nach jüngsten
Angaben des Statistischen Bundesamts ist die Zahl der
Pflegebedürftigen - Stand 2019 - weiter auf mehr als 4,1 Millionen
Personen gestiegen, etwa ein Fünftel von ihnen lebe in einem der rund
15 400 Pflegeheime.

Die Auswahl eines Heims sei eine Lebensentscheidung, die Betroffenen
bräuchten verlässliche Angaben, betonte Stiftungsvorstand Brigitte
Mohn. Man könne damit auch die gute Arbeit vieler Pflegefachkräfte
öffentlich sichtbar machen. «Umgekehrt sollte es aber auch möglich
und erlaubt sein, die Pflegeheime zu erkennen, bei denen Defizite
bestehen.»

Patientenschützer Brysch monierte, Hygienekontrollen der
Gesundheitsämter seien pandemiebedingt heruntergefahren worden.
Angehörigenbesuche würden seit fast zwei Jahren nur noch gesteuert
und «in homöopathischen Dosen» ermöglicht. Bundesgesundheitsministe
r
Karl Lauterbach (SPD) müsse jetzt erklären, «wann die
Informationslücken in der stationären Altenpflege geschlossen
werden».

Der GKV-Spitzenverband sagte der dpa: «Ein Heimplatz ist nicht
irgendein Ort, sondern das neue Zuhause der pflegebedürftigen
Menschen, die dort einziehen. Deshalb erwarten wir bei der
Bereitstellung von Informationen keine halben Sachen.» Der
Vize-Vorstandsvorsitzende Gernot Kiefer appellierte an alle
Bundesländer, «hier für Offenheit und Transparenz zu sorgen». Die
Pflegekassen veröffentlichten seit zehn Jahren die Ergebnisse von
Qualitätsprüfungen, schilderte der GKV-Spitzenverband,
Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.

Stiftungsexperte Johannes Strotbek erläuterte, Pflegebedürftige
hätten «prinzipiell das Recht, den für sie fachlich geeigneten,
individuell passenden und qualitativ guten Leistungserbringer frei zu
wählen». Dazu brauche es einen Überblick über Leistungsangebot und

Qualität der Anbieter. Auf Bundesebene seien über den «Pflege-TüV
»
seit einigen Jahren Kernergebnisse aus Prüfungen zur Qualität
einsehbar - mit Lücken.

Auf Landesebene gebe es einen Flickenteppich mit großen
Info-Defiziten. Alle Bundesländer sollten die relevanten Daten, die
den Aufsichtsbehörden vorliegen, auch offenlegen, mahnte Strotbek in
der Analyse. Das könne zudem Impulse für einen Qualitätswettbewerb
unter den Einrichtungen setzten. Verbraucher, Informationsportale,
Beratungsstellen und Versorgungsforschung müssten frei auf
Informationen zur Pflegequalität zugreifen können.

Zugleich wies die Stiftung darauf hin, dass durch die Pandemie in
allen Bundesländern die Vor-Ort-Einsätze der Aufsichtsbehörden
monatelang unterbrochen waren, weshalb Datenlücken entstanden seien.