WHO-Ausschuss berät über Verlängerung des Corona-Gesundheitsnotstands

Im Januar 2020 erklärte die WHO wegen Corona einen internationalen
Gesundheitsnotstand, um Regierungen aufzurütteln. Ist das noch nötig?
Soll der Notstand beendet werden? Experten entscheiden darüber.

Genf (dpa) - Ein Rat unabhängiger Experten hat bei der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf am Donnerstag Beratungen
über den wegen Corona geltenden Gesundheitsnotstand aufgenommen.
Frage ist, ob die Corona-Lage weiterhin als Notstand - genannt
«gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» - gelten soll
oder nicht. Expertinnen und Experten rechneten nicht mit einer
Änderung. Aus der WHO hieß es am Donnerstag, dass das Ergebnis der
Beratungen aller Voraussicht nach erst am Montag bekanntgegeben wird.

Ob der Ausschuss empfiehlt, die Notlage für beendet zu erklären oder
nicht: Praktisch hätte das kaum Konsequenzen, weil Regierungen
eigenständig Maßnahmen verhängen oder absagen. Fachleute sind jedoch

besorgt, dass eine Beendigung ein falsches Signal senden könnte.

WHO-Corona-Expertin Maria van Kerkhove sagte am Mittwochabend in
Genf: «Das Virus ist auf dem besten Weg, endemisch zu werden, daran
besteht kein Zweifel. Aber wir sind noch nicht so weit.» Endemisch
ist eine Krankheit, wenn sie in einer Region fortwährend auftritt.
Dazu gehört etwa die Grippe, die einem saisonalen Muster folgt.

Der Corona-Notfallausschuss trifft sich alle drei Monate, um die Lage
neu zu beurteilen. Den Vorsitz hat der französische Chirurg und
Spezialist für Lebertransplantationen Didier Houssin. Es war die
zehnte Sitzung seit Mitte Januar 2020. Als die WHO die Notlage am 30.
Januar 2020 erklärte, waren außerhalb Chinas rund 100 Infektionen in
21 Ländern bekannt. Inzwischen wurden weltweit mehr als 308 Millionen
Infektionen und fast 5,5 Millionen Todesfälle gemeldet.

Die Ausrufung einer Notlage ist die höchste Alarmstufe, die die WHO
verhängen kann. Sie soll den Fokus der Weltgemeinschaft auf ein
gefährliches Problem lenken und Regierungen anspornen, Maßnahmen zu
ergreifen. Bei Corona sind das die bekannten Vorschriften wie
Handhygiene, Maske tragen und Abstand halten.

Bei einer Beendigung der Notlage könnten Länder sich veranlasst
sehen, zur Tagesordnung überzugehen und dem Virus freien Lauf zu
lassen. Van Kerkhove hält das für falsch, weil zu viele Fälle die
Gesundheitsdienste überlasten und weil besonders gefährdete Menschen
in vielen Ländern mangels Impfstoff noch nicht geimpft wurden.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez warf in der Europäischen
Union bereits die Überlegung auf, ob Covid-19 nicht wie eine Grippe
behandelt werden könne. Van Kerkhove warnte davor. «Wir haben nicht
die gleiche Vorhersehbarkeit wie bei der Grippe, wo wir ein typisches
saisonales Muster haben», sagte sie. «Dahin dürften wir mit Covid-19

auch kommen. Aber wir sind noch nicht so weit.»