Kritik nicht nur im Südwesten - fast alle Länder prüfen Luca-Vertrag

Die Luca-App ist bei Datenschützern umstritten. Andere sehen auch
Vorteile. Die Mehrzahl der Länder prüft, die App weiter zu nutzen,
dazu gehört auch Baden-Württemberg. In einem Fall ist es aber schon
klar.

Berlin (dpa/lsw) - Die Zukunft der Luca-App zur Nachverfolgung von
Kontakten in der Corona-Pandemie ist nicht nur in Baden-Württemberg
offen. Auch fast alle anderen Bundesländer mit einer Lizenz beraten,
ob sie ihren Vertrag mit den Betreibern der Software verlängern
sollen oder nicht. Baden-Württemberg will nach Angaben des
Landesgesundheitsministeriums bis Ende Februar entscheiden.
Schleswig-Holstein hat hingegen bereits beschlossen, nicht länger auf
die App zu setzen. Drei Länder haben keinen Vertrag geschlossen:
Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen.

Die Luca-App soll Restaurantbesitzern und Event-Veranstaltern helfen,
die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung der Kontakte der Besucher
ohne Zettelwirtschaft zu erledigen. Sie kann direkt mit den
Gesundheitsämtern verbunden werden. In der App können auch
Impfnachweise hinterlegt werden. Die Corona-Warn-App der
Bundesregierung kann Bürger wiederum über ein mögliches
Infektionsrisiko informieren.

Die Software, an der unter anderem der Rapper Smudo («Die
Fantastischen Vier») beteiligt ist, war allerdings von Anfang an
heftiger Kritik ausgesetzt. Unter anderem der Chaos-Computer-Club
(CCC) hatte bemängelt, ihre Sicherheitsarchitektur sei nicht
ausreichend, der Nutzen fraglich. Die App sorgte zuletzt für
Diskussionen, weil in Mainz die Polizei bei Ermittlungen zu einem
tödlichen Sturz in einer Gaststätte auf Daten aus der App
zurückgegriffen hatte - dafür reichte die Rechtsgrundlage aber nicht.

Die baden-württembergische Landesregierung sieht die App hingegen als
«guten und datenschutzkonformen Baustein» der Vorsorge. Sie betont
aber auch, Corona-Warn-App und Luca-App könnten gleichzeitig genutzt
werden. Nach Angaben von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sind
die Gesundheitsämter im Land «sehr zufrieden mit der Luca-App». Vor
einer Entscheidung über die Software soll es Ende Januar noch eine
Anhörung mit den Beteiligten und den Kritikern geben. Der
netzpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Alexander Salomon, hat
ebenso wie der FDP-Digitalexperte Daniel Karrais bereits dazu
aufgerufen, die App zu deinstallieren und den Vertrag zu kündigen.

In Schleswig-Holstein ist das bereits entschieden worden, dort soll
die Lizenz für Luca nicht verlängert werden. Der Vertrag werde vor
allem gekündigt, weil die Corona-Landesverordnung seit September 2021
keine Pflicht mehr zur Erhebung der Kontaktdaten beinhalte, sagte
eine Sprecherin des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages.

Der Berliner Senat will «nach einer umfassenden Bewertung des
bisherigen Einsatzes und der pandemischen Lage» demnächst
entscheiden. Die Gesundheitsverwaltung bewertete den bisherigen
Einsatz der App positiv. Unklar ist auch, ob Brandenburg, Bayern und
Bremen die Luca-App weiter nutzen werden. In Bremen wurden seit
Einführung der App im Frühjahr 2021 nur zehn Mal Daten von Luca
abgefragt. Aber: «Das System ist einfach in der Bedienung im
Gesundheitsamt», sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts.

Die Hansestadt Hamburg als Luca-Vielnutzerin und Heimat des ersten
Luca-Repräsentanten Smudo hält sich eine Entscheidung ebenfalls
offen. Der Rapper hatte die App zuletzt gegen Vorwürfe der beiden
baden-württembergischen Netzpolitiker verteidigt. Für deren Aufruf,
die App zu deinstallieren, habe er kein Verständnis, sagte er der
«Bild». «Ich halte es für verantwortungslos, dass ein Aufruf von ei
n
bis zwei mir bisher nicht bekannter Politiker dazu führen könnte,
dass mitten in der pandemischen Lage Menschen die Luca-App löschen.»
Smudo hat die App mitentwickelt, um seiner Band und anderen Künstlern
in der Pandemie wieder Auftritte zu ermöglichen, und ist an der
Betreibergesellschaft wirtschaftlich beteiligt.

Zu den Kritikern gehört allerdings auch der rheinland-pfälzische
Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann. Er fordert, «ernsthaft zu
prüfen, ob die Luca-App als Instrument zur Pandemie-Bekämpfung noch
gebraucht wird». Möglicherweise reiche die mehrfach nachgerüstete
Corona-Warn-App aus, bei der Daten nicht im zentralen Pool, sondern
auf dem Smartphone gespeichert würden.

Skepsis auch in Sachsen-Anhalt: Dort wirbt Digitalministerin Lydia
Hüskens (FDP) für ein Vertragsende. «Wir würden (...) empfehlen, de
n
Vertrag zu kündigen, weil mit der Corona-Warn-App eine staatlich
finanzierte App vorhanden ist, die Funktionalitäten analog zur
Luca-App bietet», sagte Hüskens in einer Umfrage der Deutschen
Presse-Agentur. Die Erleichterungen für Gesundheitsämter seien nicht
im erhofften Umfang eingetreten. Das Gesundheitsministerium wiederum
will in den nächsten Wochen mit den Ländern sprechen, die die
Luca-App genutzt haben, und eine Entscheidung abstimmen.

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU)
forderte die Bundesregierung am vergangenen Dienstag auf, die
Corona-Warn-App zügig weiterzuentwickeln. Es müsse eine Lösung geben,

die auf einen Blick Aufschluss darüber gebe, ob jemand vollständig
immunisiert sei oder nicht - auch für kompliziertere Fälle.