WHO entscheidet über Verlängerung des Corona-Gesundheitsnotstands

Genf (dpa) - Bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf
erörtert ein unabhängiger Experten-Ausschuss an diesem Donnerstag, ob
die Corona-Lage weiterhin als internationaler Gesundheitsnotstand
eingestuft wird. Dieser Notstand - genannt «gesundheitliche Notlage
von internationaler Tragweite» - gilt inzwischen schon seit fast zwei
Jahren. Es ist die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann.
Der Ausschuss will noch am Abend eine Empfehlung abgeben. Die
Weltgesundheitsorganisation folgt in aller Regel einer solchen
Empfehlung.

Die Erklärung einer Notlage soll den Fokus der Weltgemeinschaft auf
ein gefährliches Problem lenken und Regierungen anspornen, Maßnahmen
zu ergreifen. Bei Corona sind das die bekannten Vorschriften wie
Handhygiene, Maske tragen und Abstand halten. Ob der Ausschuss
empfiehlt, die Notlage für beendet zu erklären oder nicht: Praktisch
hätte das kaum Konsequenzen. Experten sind jedoch besorgt, dass eine
Beendigung ein falsches Signal senden könnte.

WHO-Coronaexpertin Maria van Kerkhove sagte am Mittwochabend in Genf:
«Das Virus ist auf dem besten Weg, endemisch zu werden, daran besteht
kein Zweifel. Aber wir sind noch nicht so weit.» Endemisch ist eine
Krankheit, wenn sie in einer Region fortwährend auftritt. Dazu gehört
etwa die Grippe, die einem saisonalen Muster folgt.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez warf in der Europäischen
Union bereits die Überlegung auf, ob Covid-19 nicht wie eine Grippe
behandelt werden könne. Van Kerkhove warnte davor. «Wir haben nicht
die gleiche Vorhersehbarkeit wie bei der Grippe, wo wir ein typisches
saisonales Muster haben», sagte sie. «Dahin dürften wir mit Covid-19

auch kommen. Aber wir sind noch nicht so weit.»

Der WHO wird vielfach vorgeworfen, dass sie nach Bekanntwerden der
ersten Corona-Fälle in China Anfang 2020 nicht sofort eine Notlage
erklärte. Viele Länder hätten die Tragweite des Problems deshalb zu
spät erkannt. Als die WHO die Notlage am 30. Januar 2020 ausrief,
waren außerhalb Chinas rund 100 Infektionen in 21 Ländern bekannt.
Inzwischen wurden weltweit mehr als 308 Millionen Infektionen und
fast 5,5 Millionen Todesfälle gemeldet.

Die Beendigung der Notlage könnte nach Befürchtung von Experten
Länder veranlassen, dem Virus freien Lauf zu lassen. WHO-Expertin van
Kerkhove hält das für falsch, weil zu viele Fälle die
Gesundheitsdienste überlasten und weil besonders gefährdete Menschen
in vielen Ländern mangels Impfstoff noch nicht geimpft wurden. Der
Ausschuss besteht aber aus unabhängigen Experten.