Madrid erwägt Lockerung der Corona-Überwachung - und erntet Kritik

Madrid (dpa) - Eine von der spanischen Regierung angedachte Lockerung
der Überwachung der Corona-Infektionen zur Entlastung des
überforderten Gesundheitswesens stößt auf viel Widerstand. «Es gibt

Maßnahmen, auf die nicht verzichtet werden kann. Bis diese Welle
vorüber ist, ist es nicht ratsam, das System zu ändern», sagte der
Vizepräsident der Spanischen Gesellschaft für Epidemiologie, Óscar
Zurriaga, am Mittwoch im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Der Professor an der Universität Valencia betonte: «Die Pandemie ist
noch nicht vorbei und wir wissen nicht, wohin sie uns noch führen
wird.» Man könne Covid-19 nicht mit einer Grippe vergleichen. «In
einer schlechten Grippesaison kann es bei uns rund 1500 Todesfälle
geben.» Bei Corona gebe es weiterhin deutlich höhere Zahlen.

Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte am Montag im Interview des
Radiosenders «Cadena Ser» erklärt, spanische Experten arbeiteten
«seit Wochen» daran, Covid-19 etwa wie eine Grippe zu behandeln und
die Entwicklung der Infektionsfälle anhand eines Wächtersystems zu
überwachen. Man müsse berücksichtigen, dass Covid-19 sich von einer
Pandemie zu einer endemischen Krankheit entwickle, auf die man mit
neuen Instrumenten reagieren müssen. Der sozialistische Politiker
stellte derweil klar, dass man keinen Alleingang anstrebe: «Wir
versuchen, eine Debatte auf europäischer Ebene anzustoßen.»

Kritik an der Idee wurde nicht nur in Spanien laut. Auch die WHO
Europa sieht die Zeit noch nicht gekommen, die Pandemie zu einer
Endemie zu erklären. Während man dabei sei, eine pandemische Krise zu
bekämpfen, müsse man sehr vorsichtig dabei sein, die Zukunft
vorherzusagen, sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Dienstag. Auf
die Frage, ob Omikron die letzte Corona-Welle darstellen könnte,
sagte er: «Dieses Virus hat uns mehr als einmal überrascht.»

Auch WHO-Expertin Catherine Smallwood machte klar, man könne noch
lange nicht von einer Endemie sprechen, die vor allem von einer
stabilen Zirkulation des Virus gekennzeichnet sei. «Wir haben immer
noch eine große Unsicherheit.» Das Virus entwickele sich sehr schnell
und stelle immer wieder neue Herausforderungen.

Spanien erlebte in den vergangenen Wochen einen rasanten Anstieg der
Corona-Zahlen, der das Gesundheitswesen und auch andere Sektoren
schwer belastet. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
binnen sieben Tagen, die Mitte Oktober noch einen Jahrestiefstwert
von etwa 18 verzeichnet hatte, lag zuletzt bei 1462. Die
Wachstumskurve flacht allerdings seit einigen Zagen stark ab. Zum
Vergleich: Diese 7-Tage-Inzidenz liegt in Deutschland bei 407.