Unionsfraktion bietet Ampel Gespräche über Impfpflicht an

Die Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht läuft auf Hochtouren.
Der Vorsitzende der Unionsfraktion verlangt einen breiten Konsens.
Für Wirbel sorgen Äußerungen eines CSU-Gesundheitspolitikers.

Berlin (dpa) - Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat der
Ampel-Regierung Gespräche über eine Impfpflicht angeboten. Wenn man
eine solche Impfpflicht mache, brauche dies «einen breiten
demokratischen Konsens und nicht eine Situation, wo man dann vier
Gruppenanträge hat und ein Gruppenantrag sich dann irgendwo knapp
durchsetzt», sagte Brinkhaus am Dienstag in Berlin vor hybriden
Beratungen der Unionsfraktion. Zuvor hatte die Äußerung eines
CSU-Abgeordneten über Arbeiten an einem eigenen Antrag der Union zur
Impfpflicht für Verwirrung gesorgt.

Brinkhaus sagte, es sei wichtig, dass die die Regierung tragenden
Fraktionen von SPD, Grünen und FDP schnell Gespräche mit der Union
aufnehmen würden. «Wir sind dazu bereit.» Die Impfpflicht müsse zud
em
unabhängig von der aktuellen Virusvariante diskutiert werden. Man
wisse nicht, was die nächste Variante sei und ob ein Impfstoff
dagegen wirke. Es müssten die Parameter klassifiziert werden, «wann
wir ganz grundsätzlich in eine Impfpflicht hineingehen».

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich eine Impfpflicht Anfang Februar,
spätestens aber Anfang März gewünscht - doch daraus wird wohl nichts.

Die SPD strebt an, bis Ende März wenigstens den Gesetzgebungsprozess
abzuschließen; greifen würde sie dann - wenn sie kommt - erst später.

Der Prozess verzögert sich auch, weil die Bundestagsabgeordneten in
der auch ethisch heiklen Frage frei und unabhängig von ihren
Fraktionen entscheiden sollen. Anders als im sonst üblichen Verfahren
müssen sich Abgeordnete erst zu Gruppen mit gemeinsamer Position
zusammenfinden und entsprechende Anträge formulieren.

Die Spitze der Unionsfraktion stellte klar, dass CDU und CSU im
Bundestag derzeit keinen Gesetzesvorschlag für eine Impfpflicht
vorlegen werden. Die Fraktion arbeite aktuell nicht an einem solchen
Gesetzentwurf und auch nicht an einem Antrag für den Bundestag, sagte
der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag,
Thorsten Frei (CDU). Er wies damit entsprechende anderslautende
Äußerungen des CSU-Gesundheitspolitikers Stephan Pilsinger zurück.

Pilsinger hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: «Unser
Ziel ist es, einen eigenen Unionsantrag auf den Weg zu bringen. Daran
arbeite ich mit anderen Gesundheits- und Rechtspolitikern unserer
Fraktion.» Weil der größte Teil der Covid-Intensivpatienten älter a
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50 Jahre sei, könne man mit einer Impflicht für alle ab 50-Jährigen
das Gesundheitssystem effektiv schützen und dennoch den
Freiheitseingriff für die Gesellschaft so gering wie möglich halten.»


Am Dienstagmittag ruderte Pilsinger dann zurück und erklärte: «Ich
werde mich als Bundestagsabgeordneter an keiner interfraktionellen
Gruppe beteiligen oder einen eigenen Antrag einbringen.» Er erwarte
von der Bundesregierung, «dass sie einen rechtssicheren,
durchsetzbaren und kontrollierbaren Gesetzesvorschlag zur Einführung
einer Impfpflicht vorlegt. Die Union wird sich dann in der Debatte
damit auseinandersetzen und diesen bewerten.»

Frei betonte, die Unionsfraktion werde nicht die Arbeit der Regierung
übernehmen. «Wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine
Impfpflicht ein Mittel ist, aus dieser Pandemie herauszukommen, dann
muss sie dafür auch einen Gesetzesvorschlag vorlegen.» Mit Blick auf
die Äußerungen Pilsingers räumte er ein, das Bild der Unionsfraktion

«hätte etwas geschlossener sein können».

Das Thema Impfpflicht sei «zunächst mal» auch keine
Gewissensentscheidung, sagte Frei. Diese gelte für die Unionsfraktion
in der Regel bei «Fragen von Leben und Tod» wie etwa beim Thema eines
assistierten Suizids. Zudem entscheide ein Bundeskanzler nicht
darüber, was Gewissensentscheidungen im Parlament seien, sagte der
CDU-Politiker mit Blick auf Olaf Scholz (SPD). «Es reicht auch nicht,
wenn der Abgeordnete Lauterbach einen Vorschlag macht», ergänzte Frei
vor dem Hintergrund einer entsprechenden Ankündigung von
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte die Union auf, für Klarheit in
den eigenen Reihen zu sorgen. Der «Rheinischen Post» (Mittwoch) sagte
er: «Derzeit weiß dort die eine Hand nicht, was die andere macht.»
Die Ministerpräsidenten der Union seien klar für eine Impfpflicht,
der designierte Parteichef Friedrich Merz laviere herum. «Dieses
Durcheinander ist diesem wichtigen Thema nicht angemessen.»

Die Vorsitzende der Ärzteorganisation Marburger Bund, Susanne Johna,
und der Präsident des Verbands Leitender Krankenhausärzte, Michael
Weber, sprachen sich in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» für eine
allgemeine Impfpflicht aus, Johna auch für eine zeitliche Befristung.