WHO: Hälfte Europas könnte in acht Wochen mit Omikron infiziert sein

Kopenhagen (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt unter
Berufung auf eine Hochrechnung davor, dass sich in zwei Monaten schon
über die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infiziert haben
könnten. Omikron stelle eine Flutwelle dar, die von West nach Ost
über die europäische Region hinwegfege und zu dem Anstieg der
Delta-Zahlen hinzukomme, den die Länder bis Ende 2021 erlebt hätten,
sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Dienstag auf einer
Online-Pressekonferenz in Kopenhagen.

Omikron werde schnell zur dominanten Variante in Westeuropa und
verbreite sich nun auch auf dem Balkan, sagte Kluge. Angesichts des
aktuellen Ausbreitungstempos prognostiziere das Forschungsinstitut
IHME anhand von Modellrechnungen, dass sich mehr als 50 Prozent der
Bevölkerung in der Region in den nächsten sechs bis acht Wochen mit
Omikron infiziert haben könnten.

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hält es für möglich, dass die rasant
e
Ausbreitung der Omikron-Variante zu einer endemischen Lage führen
könne. Omikron könne wie ein «natürlicher Booster» wirken, sagte

Marco Cavaleri, Leiter der EMA-Abteilung biologische
Gesundheitsbedrohungen und Impfstrategien, am Dienstag auf einer
Online-Pressekonferenz in Amsterdam. «Wenn viele Menschen eine starke
Immunität haben, könnte das der Weg zur Endemie sein.»

Eine Endemie ist laut Robert Koch-Institut eine in einer Gegend
auftretende Krankheit, von der ein größerer Teil der Bevölkerung
regelmäßig erfasst wird - wie etwa die Grippe. Das Immunsystem werde
dann nicht mehr mit einem neuartigen Erreger konfrontiert, sondern
sei durch frühere Infektion oder durch Impfung gewappnet.

In einem Bericht des Instituts IHME vom 8. Januar heißt es wörtlich:
«Unsere Modelle für die Europäische Region legen nahe, dass Mitte
Januar mit mehr als 12 Millionen Infektionen pro Tag ein Höchststand
erreicht wird - wobei die nationalen Höchststände erheblich variieren
werden, mit späteren Höchstständen in Zentralasien.» Und weiter:
«Wir
rechnen damit, dass sich in den nächsten 6-8 Wochen mehr als 50
Prozent der EURO-Bevölkerung mit Omikron infizieren werden.»

Allein in der ersten Woche 2022 seien in der europäischen Region mehr
als sieben Millionen neue Corona-Fälle nachgewiesen worden, was mehr
als eine Verdopplung innerhalb eines Zwei-Wochen-Zeitraums bedeute,
sagte Kluge. Die Sterberate bleibe stabil und weiterhin in Ländern
mit hohen Inzidenzen und niedrigen Impfzahlen am höchsten. Omikron
sei in 50 von 53 Ländern in Europa und Zentralasien gemeldet worden.
Die WHO-Region Europa reicht weit über die EU hinaus und umfasst 53
Länder. Die Organisation rechnet auch östliche Staaten wie Russland,
die Ukraine und Länder in Zentralasien dazu.

Kluge nutzte seine erste Online-Pressekonferenz des Jahres für drei
Botschaften: Zum einen rief er Länder ohne bisherige Omikron-Zunahme
dazu auf, das verbleibende Zeitfenster zu nutzen und Vorkehrungen zu
treffen - Omikron breite sich schneller aus als jede andere zuvor
gesehene Variante des Coronavirus Sars-CoV-2. Wo die
Omikron-Ausbreitung begonnen habe, müsse die Priorität darauf liegen,
Auswirkungen auf Anfällige zu vermeiden und Störungen der
Gesundheitssysteme zu miniminieren. Drittens ging es Kluge um das
Offenhalten der Schulen. Dies sei äußerst wichtig für die Kinder,
weshalb Schulen der letzte Ort sein sollten, der geschlossen werde -
und der erste, der wieder geöffnet werde.