Experte in Pfleger-Prozess: Todesfall-Häufung «kein Hirngespinst»

Wegen versuchten Mordes an sechs Patienten muss sich ein ehemaliger
Krankenpfleger vor dem Landgericht Saarbrücken verantworten. Er soll
sie in Lebensgefahr gebracht haben, um sich danach als Retter
aufspielen zu können. Nun kam ein Gutachter zu Wort.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Im Mordprozess gegen einen Krankenpfleger aus
dem Saarland, der Schwerkranken nicht verordnete Medikamente
verabreicht haben soll, haben Gutachter und Ermittler von einer
«auffälligen Häufung» von Todesfällen während der Dienstzeit de
s
30-jährigen Angeklagten gesprochen. Der Rechtsmediziner Frank
Ramsthaler sagte am Dienstag vor dem Landgericht Saarbrücken, sein
statistisches Gutachten beweise zwar nichts, «aber es zeigt, dass die
Häufung zumindest kein Hirngespinst ist».

Der deutsche Angeklagte muss sich seit sieben Monaten wegen des
versuchten Mordes an sechs Patienten vor Gericht verantworten. Bei
den betroffenen Patienten geht es um zwei Frauen im Alter von je 77
Jahren, eine 88-Jährige sowie drei Männer im Alter von 31, 58 und 81
Jahren. Der Beschuldigte war von Anfang 2015 bis Frühjahr 2016 in der
SHG-Klinik Völklingen sowie im Frühsommer 2016 in der Uniklinik in
Homburg auf Intensivstationen beschäftigt. Dort soll er Patienten die
Medikamente gegeben und ihren Tod billigend in Kauf genommen haben.
Mit Wiederbelebungsmaßnahmen wollte er sich laut Anklage «emotionale
Befriedigung sowie Anerkennung von Kollegen und Ärzten» verschaffen.

«Uns war aufgefallen, dass sich ab einem gewissen Zeitpunkt die Zahl
der Todesfälle häufte», sagte ein früherer Ermittler. «Für uns
war
die Frage, ob das nur Zufall war oder sich das statistisch prüfen
lässt.» Konkret ging es um den Zeitraum von Dezember 2015 bis März
2016 in der Völklinger Klinik. Insgesamt gab es laut Gutachter in
dieser Zeit dort 26 Todesfälle auf der Intensivstation, 16 davon in
der Dienstzeit des Angeklagten. Bei seinen Kollegen seien es zwischen
drei und acht gewesen. Obwohl der Angeklagte die geringste
Stundenzahl in diesem Zeitraum gehabt habe, so der Rechtsmediziner,
«erlebte er im Durchschnitt dreimal so viele Todesfälle wie die
anderen acht Mitarbeiter auf der Station.»

Am Dienstag waren die Zeugen erneut zu dem Gutachten befragt worden,
weil aus Sicht der Verteidigung die Exhumierung von Patientenleichen,
auf die das Gutachten zurückging, ohne ausreichenden Tatverdacht
angeordnet worden war. Die Ergebnisse der Gewebeproben könne man
daher nicht verwerten. Der kommende Verhandlungstermin ist nun der
nächste Dienstag (18. Januar).