Landtag beschließt epidemische Lage für Schleswig-Holstein

Discos ganz dicht und Gaststätten ab spätabends: Der Norden schärft
seine Regeln gegen Corona nach. Trotz hoher Infektionszahlen ist die
Lage in den Kliniken stabil, sagt Minister Garg. Der Liberale fordert
eine allgemeine Impfpflicht und bekennt eine Fehleinschätzung.

Kiel (dpa/lno) - Der Landtag in Kiel hat am Montag weitere Schritte
gegen die Ausbreitung des Coronavirus beschlossen. Das Parlament
stellte in einer Sondersitzung die epidemische Lage im Land fest, um
etwa rechtssicher Diskotheken schließen zu können. Gaststätten sollen

von 23.00 bis 5.00 Uhr dichtmachen. Dies ist ab Mittwoch vorgesehen.
Die Koalitionsfraktionen von CDU, Grüne und FDP hatten sich mit SPD
und SSW auf einen Antrag verständigt. Um den Plenarsaal nicht zu sehr
zu füllen, tagte das Parlament geteilt in drei Sälen.

Das Infektionsgeschehen sei wegen der Dominanz der ansteckenderen
Omikron-Variante sehr dynamisch, sagte Gesundheitsminister Heiner
Garg (FDP) in einer Regierungserklärung. «Wir müssen uns auch in den

kommenden Tagen - möglicherweise Wochen - auf weiter steigende Zahlen
einstellen.» Die Lage sei ernst. «Uns allen stehen erneut schwierige
und herausfordernde Wochen bevor.» Garg befürwortete klar die zügige

Einführung einer zumindest temporären allgemeinen Impfpflicht.

Garg vertrat Regierungschef Daniel Günther (CDU), der wegen Kontakts
zu einer infizierten Person aus seinem Arbeitsumfeld im Hotel in
Quarantäne ist. Der Norden gehört jetzt zu den Bundesländern mit den

höchsten Corona-Zahlen, nachdem er lange die niedrigsten hatte.
Weihnachtspartys in Diskotheken und Clubs trugen wesentlich zur
Verbreitung des Virus bei. Inzwischen nannte Günther den Verzicht auf
Schließungen schon zu Weihnachten einen Fehler. Erst ab 28. Dezember
galt in Discos Maskenpflicht. Außerdem wurde die Kapazität begrenzt.

«Unmittelbar vor und sogar an Weihnachten hatte Schleswig-Holstein
die mit Abstand niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz», sagte Garg im
Landtag. «Die Landesregierung hat die damals offenbar bereits
stattgefundene Ausbreitung der Omikron-Variante im Land
unterschätzt.» Aus heutiger Sicht hätte man die Maßnahmen der
Ministerpräsidentenkonferenz, die bis zum 28. Dezember umgesetzt
werden sollten, schon einen Tag vor Weihnachten in Kraft treten
lassen sollen. Die Feststellung der epidemischen Lage habe in der
relativ guten Lage vor Weihnachten nicht angemessen geschienen, sagte
Garg. Diese Einschätzung hätten auch die Experten geteilt.

Die Lage in den Intensivstationen sei stabil, sagte Garg. Aber die
Personalsituation in den Kliniken sei angespannt und drohe sich bei
Ausbrüchen im Personal zu verschärfen. Die Regierung habe stets
strenge Regeln festgelegt, sagte Garg.

Ab Mittwoch soll in Gaststätten die 2G-plus-Regel gelten. Damit haben
nur Geimpfte und Genesene mit frischem negativem Test oder
Auffrischungsimpfung Zutritt. Darauf hatten sich Bund und Länder
geeinigt. Als neue Maßnahme kündigte Garg für Kitas eine Testpflicht

für immunisierte Mitarbeitende ohne Auffrischungsimpfung an.

Günther hatte bereits in der Vorwoche weitere Maßnahmen angekündigt.

Bei Sitzveranstaltungen im Theater, im Kino oder bei Konzerten werden
nur 500 Menschen erlaubt. Bei organisiertem Sport und im
Fitnessstudio gilt für alle ab 18 Jahren 2G plus.

Die Feststellung der epidemischen Lage erweitert insgesamt den
Instrumentenkasten des Landes gegen das Virus. Eine Regelung für ganz
Deutschland war im November ausgelaufen.

SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli kritisierte erneut, dass Discos
Weihnachten offen blieben - anders als in allen anderen Ländern.
Keine Instrumente hätten gefehlt, sondern Einsicht und Umsicht. Das
Land sei einen gefährlichen und falschen Weg gegangen.

Es wäre falsch, mit den hohen Infektionszahlen Panik zu verbreiten,
sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. An vorderster Stelle stünden die
Hospitalisierungsrate und die Auslastung der Intensivstationen. Koch
verteidigte das Vorgehen von Jamaika angesichts der noch niedrigen
Werte vor Weihnachten. Seine Kollegen Eka von Kalben (Grüne) und
Christopher Vogt (FDP) nannten das Offenhalten der Discos zu
Weihnachten klar einen Fehler.

Für Kalben sind die nun hohen Zahlen absolut unbefriedigend. Unter
Hinweis auf ausgebliebene parlamentarische Initiativen der SPD sagte
sie dem ehemaligen Koalitionspartner: «Das ist keine glaubwürdige
Oppositionspolitik». Jette Waldinger-Thiering vom SSW monierte, das
Land habe nicht rechtzeitig auf die Omikron-Ausbreitung in anderen
europäischen Ländern reagiert - «eine fatale Fehleinschätzung». D
as
gelte auch für das Offenhalten der Discos über Weihnachten.

Jörg Nobis von der AfD kündigte eine verfassungsrechtliche Prüfung
der Sitzungsdurchführung an - weil die auf mehrere Säle verteilten
Abgeordneten nur per Video zusammengeschaltet waren. Das Ganze habe
einer schlecht gemachten Parlamentssimulation geglichen. Auch müsse
das Land herauskommen aus dem «Panikmodus», sagte Nobis.

Der Landtag beschloss angesichts der Infektionslage auch, dass
Parteien ihre Listen zur Landtagswahl am 8. Mai nicht in Präsenz
aufstellen müssen, sondern dies auch digital tun können. CDU und SPD
haben anders als Grüne und FDP ihre Listen noch nicht gewählt.