Erstes Gerichtsfinale: Ungeimpfter Djokovic kämpft um Melbourne-Start Von Lars Reinefeld und Florian Lütticke, dpa

Jetzt wird es ernst für Novak Djokovic. Ein Gericht entscheidet über
seine Einreise nach Australien. Immer mehr Details kommen in der
Posse ans Licht - werfen aber mehr Fragen auf, als dass sie Antworten
geben.

Melbourne (dpa) - Das erste Endspiel steht für Novak Djokovic schon
eine Woche vor dem Start der Australian Open an. Im Commonwealth Law
Courts Building von Melbourne, nur rund drei Kilometer von der Rod
Laver Arena entfernt, entscheidet sich ab Montagvormittag, ob der 34
Jahre alte Serbe in diesem Jahr überhaupt am Grand-Slam-Turnier im
Melbourne Park teilnehmen darf. Dort, wo der Weltranglisten-Erste
bereits neun Mal triumphieren konnte und sich in die Herzen der ihm
inzwischen eher kritisch gegenüberstehenden australischen Tennis-Fans
gespielt hat. Lehnt das Gericht seine Beschwerde gegen die
verweigerte Einreise nach Australien ab, wird selbst bei einer
möglichen Berufung die Zeit für einen Start knapp.

Seit Tagen beschäftigt die Tennis-Szene nur noch der Fall Djokovic.
Die Turniersiege von Ashleigh Barty und Rafael Nadal am Sonntag? Sind
allenfalls eine Randnotiz. Alles dreht sich nur um die Frage, ob
Djokovic doch noch eine Einreisegenehmigung bekommt oder nicht.

Die Juristen auf beiden Seiten kämpfen mit harten Bandagen. Das
Innenministerium versuchte am Wochenende mit einem Antrag, seine
Aussage in der Verhandlung auf Mittwoch zu verschieben - die Gründe
dafür blieben unklar. Richter Anthony Kelly lehnte das jedoch ab. Es
bleibt beim ersten Showdown am Montag. Nach Djokovic (10.00 Uhr
Ortszeit/0.00 Uhr MEZ) soll das Innenministerium (15.00 Uhr/5.00 Uhr)
bis zu 120 Minuten lang seine Position klarmachen dürfen. Wann und ob
am Montag eine Entscheidung fällt, blieb zunächst unklar.

Beide Parteien können gegen ein Urteil vorgehen. Das Innenministerium
kündigte bereits an, dass selbst eine Entscheidung pro Djokovic nicht
automatisch eine weitere Festsetzung des Serben verhindern werde.

Ein positiver Corona-Test aus dem Dezember 2021 soll Djokovic doch
noch zu einer Teilnahme am ersten Grand-Slam-Event des Jahres
verhelfen. Aus den Gerichtsdokumenten geht hervor, dass Djokovic am
16. Dezember 2021 zum zweiten Mal positiv auf das Coronavirus
getestet worden sein soll. Zudem gibt die Seite des
20-maligen-Grand-Slam-Turniersiegers an, dass er deshalb am 30.
Dezember vom medizinischen Chef des australischen Tennisverbands eine
Ausnahmegenehmigung zur Einreise erhalten habe.

Sollte sich der Sachverhalt bestätigen, könnte Djokovic eventuell
doch das Recht gehabt haben, Anfang Januar nach Australien zu reisen.
Ihm war am Mittwochabend (Ortszeit) die Einreise verweigert worden.
Er konnte aus Sicht der Behörden nicht die nötigen Dokumente für eine

medizinische Ausnahmegenehmigung vorlegen, um auch ohne
Corona-Impfung einreisen zu dürfen. Seitdem hält er sich in einem
Hotel für Ausreisepflichtige auf.

Allerdings gibt es in der Causa Djokovic nach wie vor zahlreiche
Ungereimtheiten. So stellt sich die Frage, warum er nicht schon
früher öffentlich gemacht hat, dass er zum zweiten Mal mit dem
Coronavirus infiziert war. Erstmals war der 34-Jährige während seiner
heftig kritisierten Adria Tour im Juni 2020 positiv auf das
Coronavirus getestet worden. Damals hatte Djokovic das Ergebnis
selbst publik gemacht. Dieses Mal nicht. Andere Profis wie zum
Beispiel Nadal hatten ihre positiven Tests im Dezember zeitnah
öffentlich gemacht.

Zudem sorgen Fotos von Djokovic bei Auftritten für Diskussionen, die
am Tag des angegebenen positiven PCR-Tests und den Tagen danach
aufgenommen wurden. Djokovic bei einer Veranstaltung der serbischen
Post, wo er eine Briefmarke mit seinem Konterfei in die Kameras hält.
Djokovic mit Kindern und Jugendlichen in seiner Tennis-Akademie und
Djokovic bei einem Foto-Shooting der französischen Sportzeitung
«L'Équipe» zwei Tage nach dem nun ins Feld geführten positiven
Coronatest. Stets ohne Masken. In Serbien muss ein positiv Getesteter
theoretisch nur dann in Quarantäne, wenn er Krankheitssymptome hat
und ein Amt dies anordnet. Ob und wie das kontrolliert wird, ist
unklar. Die Causa Djokovic bleibt dubios und undurchsichtig.

Ungereimtheiten gibt es auch um die Frage, wann genau Djokovic seinen
Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt hat. Laut den Regularien
mussten die Anträge bis zum 10. Dezember vorliegen. Der positive Test
sechs Tage später hätte darauf dann keinen Einfluss mehr haben
können.

Von Djokovic selbst gibt es nach wie vor keine öffentlichen Aussagen
zu dem Thema. Am Freitag hatte sich der Serbe kurz bei Instagram
geäußert und sich für die Unterstützung seiner Fans bedankt. Vor de
m
Hotel bekunden immer wieder Landsleute ihre Solidarität mit ihrem
Idol. Ansonsten wolle sich der Tennisstar wegen des laufenden
Verfahrens nicht äußern, hieß es aus seinem näheren Umfeld.

Immerhin ist sein Impfstatus nun geklärt. Aus den Gerichtsdokumenten
geht hervor, dass Djokovic in der Befragung durch einen Beamten des
australischen Grenzschutzes angegeben habe, «nicht gegen Covid-19
geimpft» zu sein. Djokovic hatte um seinen Impfstatus seit Monaten
ein Geheimnis gemacht.

Unterdessen hat der Turnierdirektor der Australian Open, Craig Tiley,
Kritik an seiner Person und am australischen Tennis-Verband erneut
zurückgewiesen. «Es gab viele widersprüchliche Informationen, viele
gegensätzliche Informationen, und wir haben vom ersten Tag an ständig
Klarheit gesucht, um sicherzustellen, dass wir erstens das Richtige
tun und zweitens, die Spieler ins Land bringen können», sagte Tiley.
Nach wie vor würde er Djokovic «gerne bei den Australian Open spielen
sehen», sagte Tiley beim Nine Network.

Auch Deutschlands Tennis-Legende Boris Becker warb um Verständnis für

Djokovic, mit dem er einst überaus erfolgreich als Trainer gearbeitet
hatte. Er glaube nicht, dass der Serbe fahrlässig gehandelt habe. «Er
ist im guten Glauben nach Australien geflogen, eine gültige
Einreisegenehmigung zu besitzen. Wären die Papiere, die er erhalten
hat, nicht in Ordnung gewesen, wäre Novak niemals in den Flieger
gestiegen. Er ist ja schließlich kein Idiot.»