Debatte um Corona-Lockerungen - Kretschmer bei Grünen in der Kritik

Sachsen hat seit November die strengsten Corona-Regeln bundesweit.
Jetzt, wo die Zahlen der Delta-Variante des Virus' sinken, will die
Regierung Lockerungen durchsetzen. Dabei steht mit Omikron schon die
nächste Herausforderung vor der Tür.

Dresden (dpa/sn) - In Sachsen wird heftig über Sinn und Unsinn von
Lockerungen der Corona-Regeln debattiert. Die Grünen fühlten sich am
Freitag von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) überrumpelt,
nachdem er noch vor der abendlichen Kabinettssitzung Medien über die
geplante Lockerung von Schutzmaßnahmen informierte. «Diese Art zu
kommunizieren ist nicht förderlich für die Stärkung des Vertrauens
der sächsischen Bevölkerung in die Corona-Politik. Mit seinem
unabgesprochenen Agieren schwächt Michael Kretschmer zudem das
Vertrauen in die Zusammenarbeit in der Koalition», sagte die Grünen-
Vorsitzende Christin Furtenbacher. Die Pandemie verlange «besonnenes
Abwägen und geschlossenes Handeln».

Kretschmer hatte am Donnerstagabend in einem Gespräch mit
Journalisten über seine Vorstellungen für die Bund-Länder-Konferenz
am Freitag und die beabsichtigten Lockerungen der strengen
Corona-Regeln in Sachsen informiert. Die Koalition sei sich «sehr
einig», dass es nun zu Veränderungen kommen müsse. Jetzt im
Teil-Lockdown zu verharren, sei nicht haltbar.

Der Regierungschef begründete das mit gesunkenen Infektionszahlen und
einer Entspannung der Lage in den Krankenhäusern. Zugleich machte er
deutlich, dass Lockerungen immer an das Infektionsgeschehen gekoppelt
blieben. Laut Kretschmer will Sachsen etwa Kulturveranstaltungen und
Sport in Innenräumen unter Bedingungen wieder zulassen.

«Wir befinden uns in der Corona-Pandemie aktuell in einer sehr
brisanten Lage: Einerseits haben wir deutlich geringere Fallzahlen
als noch im November und Dezember, andererseits kommt auch auf uns in
Sachsen die Omikron-Welle zu», stellte Furtenbacher fest. Mit Blick
auf die neue Schutzverordnung müsse gerade Sachsen mit seiner
niedrigen Impfquote mit Bedacht vorgehen. «Bei allen vorsichtigen
Lockerungen braucht es eine Option für die kurzfristige Rückkehr zu
strengeren Vorgaben. Ziel muss es sein, die medizinische Versorgung
und die kritische Infrastruktur am Laufen zu halten.»

Die Linke reagierte mit Unverständnis auf Kretschmers Ankündigung.
«Es ist richtig, Fehler in den Regelungen zu beheben. (...) Jedoch
ist es ohne Sinn und Verstand, in der Delta-Welle die Schutzmaßnahmen
zu erhöhen und dann unmittelbar vor der Omikron-Welle pauschal
Lockerungen anzukündigen. Das versteht niemand mehr», hieß es in
einer Erklärung der Parteispitze. Alle maßgeblichen Sachverständigen

und die Erfahrungen vieler Nachbarländer deuteten auf eine
sprunghafte Steigerung der Fallzahlen hin. «Es wäre falsch, jetzt
allerlei neue Regeln zu erfinden, nur um diese in wenigen Tagen oder
Wochen wieder zu kassieren.»

Die AfD im Sächsischen Landtag zog am Freitag gegen eine mögliche
Ausweitung der 2G-plus-Regel (genesen, geimpft und getestet) zu
Felde. Kretschmer hatte sich dafür ausgesprochen, dass eine
Booster-Impfung den Test ersetzt. «Mit 2G plus nimmt die Regierung
Kurs in Richtung eines Impfabos. Das Ziel ist es, dass nur noch
Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, die bereit
sind, sich regelmäßig impfen zu lassen», sagte Fraktionschef Jörg
Urban.

Das laufe auf eine Diskriminierung von Ungeimpften und lediglich
doppelt Geimpften hinaus. Handel, Gastronomie und Veranstalter
befürchteten bei Einführung von 2G plus eine wirtschaftliche
Katastrophe.