LGL veröffentlicht Rohdaten für umstrittene Inzidenz-Berechnungen

Anfang Dezember, mitten in der vierten Corona-Welle, entbrennt ein
Streit um die Seriosität von Bayerns Inzidenzzahlen. Die zuständige
Behörde verteidigt ihr Vorgehen und legt nun im Internet alle Zahlen
offen.

München (dpa/lby) - Mit der Veröffentlichung von Rohdaten will das
Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) alle
Zweifel an der Berechnung der Corona-Inzidenz aufgeschlüsselt nach
Geimpften und Ungeimpften beseitigen. Am Freitag schaltete die
Behörde, die in Bayern unter anderem für die Erfassung und Auswertung
der Corona-Fallzahlen zuständig ist, auf ihrer Internetseite die
entsprechenden Tabellen frei.

Anfang Dezember hatte es einen politischen Streit über die Erstellung
der Corona-Inzidenzen in Bayern gegeben. Unter anderem SPD und FDP
hatten dem LGL und damit der Staatsregierung vorgeworfen, mit
verzerrten Inzidenzen unter Geimpften eine trügerische Sicherheit
vermittelt und die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Die Verbreitung
«fragwürdiger Zahlen» schade der Impfkampagne, hieß es damals.

Das LGL und die Regierung verteidigten daraufhin die Vorgehensweise
und wollen nun ihre Argumentation mit den im Netz veröffentlichten
der Rohdaten noch nachvollziehbarer machen. Der Blick in die Tabellen
liefert zwar nicht sofort neue Erkenntnisse, wer sich aber durch die
Zeilen und Spalten navigiert, erkennt, dass die zwischenzeitlich
gängige Praxis, Personen mit unbekanntem Impfstatus der Gruppe der
Ungeimpften zuzuschlagen, die Berechnung der Inzidenzen nicht
gesondert verfälschten. Vielmehr lagen die Werte deutlich näher an
den vier Wochen später erfolgten Nachberechnungen.

Die Tabellen offenbaren aber auch, dass aufgrund der vielen
unbekannten Faktoren nie genaue Berechnungen, sondern auch
rückwirkend nur Schätzungen möglich sind. Und es zeigt sich, dass die

Schätz-Ungenauigkeiten mit dem generellen Ansteigen der
Infektionszahlen vom 22. September an zunahmen und Anfang Dezember
eine Dimension erreicht hatten, welche dann dazu führte, diese Art
der Ermittlung vorerst einzustellen.

«Auch dann, wenn die so ausgewiesene Zahl als reine
«Ungeimpften-Inzidenz» verstanden wurde, war dies Verfahren dem
Weglassen der Unbekannten im gesamten Veröffentlichungszeitraum
überlegen», sagte ein Sprecher des LGL am Freitag der Deutschen
Presse-Agentur. Dies hätten die regelmäßig vier Wochen später
vorgenommenen Überprüfungen mit allen bis dahin vorliegenden
Nachmeldungen erwiesen.

Bei der Berechnung von Inzidenzen sorgen etwa zeitlich verzögerte
Meldedaten zu neuen Fällen und Angaben für nachträglichen
Korrekturbedarf. «Dieser variierte über die Monate mit der
unterschiedlichen Belastung der Gesundheitsämter», sagte der
Sprecher. Mit Blick auf den politischen Streit betonte er: «Die
Inzidenz der Ungeimpften und Geimpften war kein Leitindikator zur
Beschreibung und Bewertung der Pandemielage in Bayern.»

Wie schon bei Bekanntwerden des Sachverhalts Anfang Dezember sorgte
auch die Veröffentlichung der Rohdaten für sehr unterschiedliche
politische Reaktionen: FDP-Landeschef Martin Hagen sah darin die
Kritik seiner Partei bestätigt, weil die Inzidenzen der Ungeimpften
nicht so viel höher waren als die der Geimpften. FDP-Bundesvize
Wolfgang Kubicki ging sogar einen Schritt weiter und forderte in der
«Welt am Sonntag» wegen der Verbreitung von Falschmeldungen den
Rücktritt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Dagegen erklärte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU): «Es war
sinnvoll, die Meldefälle mit unbekanntem Impfstatus gemeinsam mit der
Gruppe der Ungeimpften auszuweisen.» So hätten die Werte näher an der

Realität gelegen, als dies bei einem Weglassen der Gruppe der
Unbekannten der Fall gewesen wäre.