Impf-Ärger, Quarantäne und Profiteure: Fakten zum Fall Djokovic Von Christian Hollmann, Lars Reinefeld und Florian Lütticke, dpa

Der Fall Novak Djokovic wird weit über die Tennis-Welt hinaus
debattiert. Doch wie konnte es überhaupt zu der Farce um den als
Impfskeptiker bekannten Weltranglisten-Ersten in Australien kommen?
Und wer könnte am Ende davon profitieren?

Melbourne (dpa) - Die Einreise-Posse um Tennis-Star Novak Djokovic
überstrahlt die Vorbereitung auf die Australian Open. Der offenkundig
ungeimpfte Weltranglisten-Erste aus Serbien geht gegen den Entzug
seines Visums in Australien vor - erst am Montag soll eine
Entscheidung fallen. Offene Fragen gibt es einige.

Worum geht es eigentlich?

Djokovic will unbedingt bei den Australian Open spielen, obwohl er
offenkundig ungeimpft ist. Weil eine Impfung vor der Einreise
eigentlich erforderlich ist, erwirkte der Serbe eine medizinische
Ausnahmegenehmigung. Diese ist höchst umstritten, zumal der
34-Jährige bislang nicht offengelegt hat, mit welcher Begründung sie
ihm erteilt wurde. Nur eine «Handvoll» von Tennisprofis habe eine
solche Ausnahmegenehmigung erhalten, teilte Turnierchef Craig Tiley
mit. Bei der Einreise stellten die Grenzschützer am Flughafen
Melbourne aber fest, dass das Visum des Serben ungültig ist. Djokovic
habe keine ausreichenden Belege vorgelegt, die ihn zur Einreise
berechtigen, hieß es.

Warum gibt es solchen Wirbel?

Die Debatte um Djokovic gärt schon seit Monaten. Er hat sich gegen
eine Impfpflicht ausgesprochen und um seinen Impfstatus stets ein
Geheimnis gemacht. Mitte 2020 infizierte er sich mit dem Coronavirus.
In Australien ist der Umgang mit der Pandemie nach monatelangen
harten Lockdowns und rigiden Einreisebeschränkungen ein emotional
aufgeladenes Thema. Selbst viele Bürger des Landes konnten lange
nicht in ihre Heimat reisen, weil sich Australien zum Schutz vor
einer Einschleppung des Coronavirus abgeschottet hatte. Dass nun ein
Tennis-Millionär eine Ausnahme erhalten sollte, empört viele
Menschen. Dagegen warfen serbische Spitzenpolitiker den australischen
Behörden Schikane vor und unterstellten ihnen politische Motive.

Müssen Tennisprofis generell geimpft sein?

Nein, das ist jeweils eine Entscheidung der zuständigen Behörden am
Ort des Turnier-Ausrichters. Bei den Australian Open ist die Impfung
erstmals bei einer Top-Veranstaltung Pflicht. Beim bislang letzten
Grand-Slam-Turnier, den US Open in New York, mussten die Spielerinnen
und Spieler noch keine Impfung nachweisen. Nach Angaben der
Damen-Tour WTA und der Herren-Tour ATP ist ein Großteil der Profis
geimpft.

Wieso haben sich Djokovic und die Turnierchefs überhaupt in diese
Situation begeben?

Der Tennis-Superstar ist Titelverteidiger und Rekordsieger bei den
Australian Open. Mit seinem zehnten Triumph in Melbourne könnte er
sich den 21. Erfolg bei Grand-Slam-Turnieren sichern - das wäre eine
neue Bestmarke und ein gewaltiger Meilenstein in seiner Karriere.
Entsprechend große Aufmerksamkeit zeichnete sich für das erste
Grand-Slam-Turnier des Jahres ab, das mit Djokovic ein immens
wichtiges Zugpferd verlieren könnte. Der streitbare Branchenprimus
ist Zuschauermagnet in der Arena und Quotengarant fürs Fernsehen.

Was bedeutet eine mehrtägige Hotel-Quarantäne für Djokovic?

Am Donnerstag hielt sich Djokovic im Park-Hotel im Melbourner
Stadtteil Carlton auf, in dem auch abgelehnte Asylbewerber
untergebracht sind. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic setzte
sich dafür ein, Djokovic den Umzug in ein gemietetes Haus zu
erlauben. «Es ist eine schlimme, schlimme Unterkunft», sagte
Djokovic' Mutter Dijana. «Ich fühle mich fürchterlich seit gestern,
dass sie ihn als Gefangenen halten.» Australiens Innenministerium
entgegnete darauf, Djokovic werde mitnichten gefangen gehalten und
könne das Land jederzeit verlassen.

Auch andere Profis wie Sebastian Korda, der bei seiner Ankunft in
Adelaide positiv auf Corona getestet wurde, sind aktuell in
Hotel-Quarantäne. Der Amerikaner bedankte sich beim australischen
Tennisverband für die Ausstattung seines Zimmers und betonte, dass er
die Covid-Protokolle achte.

Wer würde von einer Nicht-Teilnahme des Serben profitieren?

Beim Turnier selbst würde sich das Favoritenfeld neu sortieren - mit
Olympiasieger Alexander Zverev und dem Russen Daniil Medwedew an der
Spitze. Auch die Legenden Rafael Nadal und Roger Federer könnte das
Aus für Djokovic klammheimlich freuen. Sie wären dann weiter
gemeinsam mit ihrem Dauerrivalen mit jeweils 20 Grand-Slam-Titeln im
Besitz dieser Rekordmarke.