Omikron bald vorherrschend - Verschärfungen und kürzere Quarantäne Von Basil Wegener und Sascha Meyer, dpa

In wenigen Tagen dürfte Omikron vorherrschend sein - und immer noch
ist rund jeder Vierte nicht geimpft. Bund und Länder bereiten kürzere
Quarantäne vor - und möglicherweise auch neue Kontaktbeschränkungen.


Berlin (dpa) - Angesichts der explosionsartigen Verbreitung der
Omikron-Variante des Coronavirus rücken kürzere Quarantänezeiten und

mögliche schärfere Kontaktbeschränkungen näher. Nach Einschätzung
der
Bundesregierung dürfte Omikron bereits in wenigen Tagen bundesweit
die dominierende Corona-Variante sein. Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) kündigte mit Blick auf die
Ministerpräsidentenkonferenz am Freitag Vorschläge für schärfere
Kontaktbeschränkungen an. Bundesregierung und Wissenschaftler mahnten
die Bevölkerung, trotz meist milderer Verläufe durch Omikron das
Risiko schwerer Erkrankungen und längerfristiger Lungenschäden nicht
zu unterschätzen.

«Zurzeit gehen wir von einem Omikron-Anteil von 25 Prozent
deutschlandweit aus», sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums
am Mittwoch in Berlin. In einigen Bundesländern insbesondere im
Norden sei Omikron bereits dominierend. Insofern sei davon
auszugehen, «dass in kurzer Zeit, in wenigen Tagen Omikron eigentlich
auch bundesweit die dominierende Variante sein wird». Seit Ende
Dezember steigt die Sieben-Tage-Inzidenz. Am Mittwoch lag der Wert
laut Robert Koch-Institut bei 258,6 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner und Woche. Binnen eines Tages wurden 58 912 Neuinfektionen
und 346 Todesfälle gemeldet.

Risiko trotz milderer Verläufe:

Der Berliner Virologe Christian Drosten bekräftigte, Daten wiesen
darauf hin, dass bei Omikron-Infektionen ein kleinerer Anteil der
Infizierten ins Krankenhaus müsse. Doch das individuelle Risiko
bleibe. «Es gibt junge Leute Mitte 20, die auf der Intensivstation
landen», sagte Drosten im Podcast «Coronavirus-Update» bei NDR-Info.

Es gebe auch Berichte von Leistungssportlern, die nach fast
asymptomatischer Infektion noch wochenlang nicht trainieren könnten.
«Das kommt einfach daher, dass das Lungengewebe geschädigt wird.» Das

könne Monate dauern. Regierungssprecher Steffen Hebestreit mahnte,
man könne auch mit Omikron krank werden und für eine ganze Weile
ausfallen. «Das ist jetzt kein Pappenstiel.»

Lauterbach sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND),
insbesondere für Ungeimpfte gebe es keinen Grund zur Entwarnung.
«Mein Appell an die Ungeimpften ist, dass sie sich schnell zumindest
einmal impfen lassen, damit sie wenigstens für den ganz schweren
Krankheitsverlauf eine wichtige Schutzwirkung haben.»

Vor neuen Beschlüssen:

«Verschärfungen werden leider notwendig sein, um der schweren Welle,
die auf uns zukommt, zu begegnen», sagte Lauterbach. Er werde dazu
Vorschläge machen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte
den Tageszeitungen «Stuttgarter Zeitung», «Stuttgarter Nachrichten»

und den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft:
«Wir wollen auch künftig flächendeckende und pauschale Schließungen

vermeiden.»

Zwei Tage vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) war dabei zunächst unklar, ob der Expertenrat der
Regierung zuvor noch eine Stellungnahme zur Corona-Lage abgibt. Er
wisse es nicht, sagte Sprecher Hebestreit. Der Expertenrat tage
vertraulich - wie zuletzt am Dienstag. Der Ratsvorsitzende Heyo
Kroemer von der Berliner Charité habe dem Kabinett Fragen zur Lage
beantwortet. Am Mittwoch wollten nach Angaben Hebestreits noch die
Staats- und Senatskanzleichefs der Länder beraten, zudem die
Gesundheitsministerinnen und -minister. Über die Lage an den Schulen
berieten die Kultusministerinnen und -minister.

Debatte über kürzere Quarantäne:

Lauterbach verteidigte seinen Vorstoß für kürzere Quarantäne.
«Studien zeigen, dass die Generationszeit - also auch die Phase, in
der sich das Virus im Körper ausbreitet und die Phase, in der ein
Mensch ansteckend ist - bei Omikron viel kürzer ist», erläuterte er.

«Wir können also bis zu einem gewissen Grad die Quarantänezeit
verkürzen, ohne ins Risiko zu gehen.» Damit soll eine Gefährdung
wichtiger Versorgungsbereiche wegen eines möglichen massiven Ausfalls
von Beschäftigten verhindert werden. Lauterbach nannte insbesondere
Krankenhäuser, Altenpflege, Polizei, Feuerwehr sowie die Wasser- und
Stromversorgung. Für diese Bereiche seien neue Quarantäne- und
Isolationsregeln nötig. Auch die Bereiche Schule und Reisen müssten
bedacht werden.

Heute soll man bei engem Kontakt zu einer positiv auf Corona
getesteten Person für zehn Tage in häusliche Quarantäne - verkürz
bar
auf sieben Tage mit Schnelltest und fünf mit PCR-Test. Keine
Quarantäne verhängt das jeweilige Gesundheitsamt gemäß RKI-Empfehlu
ng
in der Regel bei vollständig Geimpften - außer bei der infizierten
Kontaktperson handelt es sich um einen Omikron-Fall.

Wer selbst infiziert ist, soll 14 Tage nach Symptombeginn in
Isolierung - vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn sie danach
symptomfrei und negativ PCR-getestet sind. Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der Deutschen
Presse-Agentur, er erwarte am Freitag Entscheidungen für die
Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur. Städtetagspräsident

Markus Lewe (CDU) nannte eine modifizierte Quarantäneregelung im
Deutschlandfunk entscheidend.

Auf die Auffrischimpfung kommt es an:

Eine Auffrischungsimpfung ist laut Drosten die beste Waffe gegen
Omikron: «Was richtig schützt gegen Omikron ist die
Dreifach-Impfung.» Drosten verwies auf eine britische Studie, nach
der bei einer Omikron-Infektion das Risiko einer Klinikeinweisung
geringer sei als bei der Delta-Variante: Bei doppelt Geimpften sinke
das Risiko um 34 Prozent, bei Menschen mit Booster-Impfung sogar um
63 Prozent - bei Ungeimpften nur um 24 Prozent. 

Die Booster- und Impfkampagne habe über die Feiertage einen «leichten
Knick» gehabt, räumte Hebestreit ein. Gut 40 Prozent der Bevölker
ung
haben bisher eine Booster-Imfpung erhalten. Hebestreit: «Wer es noch
nicht getan hat: Lassen Sie sich boostern!» Grundschutz mit der meist
nötigen zweiten Spritze haben 71,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die
Regierung strebt nun eine Marke von 80 Prozent bis Ende Januar
an. 21,3 Millionen Menschen sind nicht geimpft - mehr als jede und
jeder Vierte. Davon können 4 Millionen auch nicht geimpft werden,
weil sie unter fünf sind.