Trotz Omikron: Südafrika hat kaum noch Corona-Restriktionen Von Ralf E. Krüger, dpa

In Deutschland wird das Ausmaß der Omikron-Welle mit Sorge
beobachtet. Tausende Kilometer entfernt herrscht dagegen Entspannung:
Ausgerechnet in Südafrika gibt es kaum noch Corona-Restriktionen.
Dabei war Omikron hier noch vor einem Monat dominant.

Johannesburg (dpa) - Ende November verunsichert eine Nachricht aus
dem Süden Afrikas die Welt: Südafrikanische Wissenschaftler geben die
Entdeckung einer neuen, hochansteckenden Coronavirus-Variante
bekannt, die die WHO kurz darauf Omikron nennt. Reiserückkehrer aus
Südafrika gelten plötzlich als suspekte Verdachtsfälle, zahlreiche
Staaten erlassen strenge Reiseeinschränkungen gegen den Kap-Staat,
die die dortige Tourismusindustrie ins Mark treffen.

Südafrika bereitete sich damals angesichts rasant steigender
Fallzahlen auf eine heftige Infektionswelle vor. Und jetzt? Gut einen
Monat später sendet das Land völlig andere Corona-Signale: Fast alle
Restriktionen wurden gestrichen - viele Südafrikaner feiern gerade
wieder ausgelassen an den Stränden der Küstenprovinzen ihre
Sommerferien. Kurz vor Silvester wurde sogar die seit fast zwei
Jahren geltende nächtliche Ausgangssperre zusammen mit weiteren
Einschränkungen aufgehoben. «Omikron hat seinen Höhepunkt erreicht»
,
begründete das der zuständige Minister Mondli Gungubele. Es habe
weder eine alarmierende Veränderung bei der Zahl der
Krankenhauseinweisungen noch bei der Zahl der Todesfälle gegeben.

Das Land befindet sich nun auf der niedrigsten der fünf Stufen des
fast zwei Jahre geltenden Alarmsystems. Masken auf öffentlichen
Plätzen sind weiter Pflicht, bei Versammlungen soll auch weiter auf
Distanz geachtet werden. Der Ministerpräsident der Westkap-Provinz -
zu der auch die Touristenmetropole Kapstadt gehört - machte sich am
Dienstag für eine komplette Streichung dieses Alarmsystems stark.
«Aktuell managen wir diese Pandemie», sagte er in einem Interview des
Nachrichtensenders eNCA. «Worauf man sein Augenmerk richten sollte,
sind die Krankenhauseinweisungen; letzte Woche hatten wir 70 Menschen
auf der Intensivstation, nun liegen wir bei unter 30 Personen.»

Die täglichen Infektionszahlen und vor allem die Sterbezahlen seien
drastisch gefallen. Winde: «Die Todesrate in der Provinz liegen bei
ein bis zwei Personen pro Tag.» Es gehe nun darum, am Verhalten der
Bürger zu arbeiten - wer sich krank fühle, komme um eine Maske nicht
herum. Winde: «Die nächste Pandemie ist die Pandemie der Armut, die
Pandemie der Job-Verlusten - wir müssen an der Stelle eine Notlage
erklären.» Die offizielle Arbeitslosenquote in dem Kap-Staat - der
schon vor der Pandemie in der Rezession war, beträgt rund 35 Prozent.


Die Kontaktnachverfolgung bei Personen, die infizierten Personen
nahegekommen sind, war bereits zuvor gestrichen worden. Laut Studien
haben bereits rund 70 Prozent der im Durchschnitt sehr jungen
Bevölkerung Südafrikas eine Infektion durchgemacht, sie verfügen
damit über einen gewissen Immunschutz. Das Nationale Institut für
übertragbare Krankheiten (NICD) präsentierte kürzlich zudem eine
Studie, die bei Geimpften auf einen eher milden Krankheitsverlauf bei
Omikron im Vergleich zur Delta-Variante hinweist. Die
Wahrscheinlichkeit einer Einlieferung ins Krankenhaus wurde aufgrund
bisheriger Daten für Omikron als bis zu 80 Prozent niedriger als bei
der Delta-Variante angegeben.

Die Verweildauer dort sank zudem im Schnitt auf drei bis vier Tage -
fast die Hälfte der Zeit, die bei der Delta-Variante als Durchschnitt
galt. Politiker am Kap sprachen von einem geradezu atemberaubenden
Rückgang der täglichen Infektionszahlen, die aus dem fünfstelligen
Bereich in vielen Landesteilen oft auf ein dreistelliges Niveau
absackten.

Allerdings: Selbst die panafrikanische Gesundheitsorganisation Africa
CDC warnte kurz vor Weihnachten davor, die «ermutigenden ersten
Erkenntnisse» aus Südafrika nun auf andere Länder zu übertragen.
Südafrika befindet sich zudem gerade im Sommer, in dem
Atemwegserkrankungen eher selten sind. Der Kontinent hat mittlerweile
knapp 450 Millionen Impfdosen beschafft, doch sind erst rund elf
Prozent der Bevölkerung zweifach gegen das Coronavirus geimpft.
Länder wie Marokko (72 Prozent der Bevölkerung) oder Südafrika (26
Prozent) ragen dabei heraus.