Rülke: Fehlschlag bei Impfpflicht würde Querdenkern in Hände spielen

Löst eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus alle Sorgen?
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat da seine Zweifel. Er
befürchtet eher, dass sich die Fronten noch verhärten könnten.

Stuttgart (dpa/lsw) - FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat in der
Debatte um eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus vor
einem Schnellschuss gewarnt. «Wenn das wieder ein Fehlschlag wird,
dann wird das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik nur
noch stärker. Das ist dann leider genau das, was die Querdenker
wollen», sagte Rülke der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Zwar
würden alle abstrakt über die Impfpflicht philosophieren, aber
niemand rede über deren konkrete Umsetzung. «Ohne den Mut für ein
nationales Impfregister muss man über eine Impfpflicht gar nicht
nachdenken.»

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich
bereits Ende November für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen.
Rülke betonte, dass auch er grundsätzlich kein Feind der Impfpflicht
sei. «Zu glauben, wenn man den Leuten abstrakt mit einer
Ordnungsstrafe droht, dann würden alle bisherigen Impfgegner zum
Impfen gehen, halte ich für absurd.» Die Impflicht sei ohne genaue
Vorstellung einer Umsetzung eine «naive Illusion».

Rülke kritisierte die grün-schwarze Landesregierung auch für die
erneute Verschärfung der Corona-Maßnahmen. «Die
Hospitalisierungsinzidenz sinkt ja derzeit. Da ist es schwer
nachvollziehbar, wenn man Maßnahmen verschärft, zumal es sich häufig

nur um Symbolpolitik handelt - so wie die Sperrstunde in der
Gastronomie um 22.30 Uhr.» Grün-Schwarz hatte Ende Dezember bei den
Corona-Regeln nachgeschärft.

Die Impf-Debatte dürfte auch auf dem traditionellen Landesparteitag
der FDP am Mittwoch vor Dreikönig für hitzige Diskussionen sorgen. In
einem Antrag fordert FDP-Mitglied Hans-Peter Locher, die
Impfbereitschaft mit einer 500-Euro-Prämie anzukurbeln. Eine
Impfpflicht sei unverhältnismäßig, solange nicht alle anderen
gangbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Rülke sieht den
Antrag kritisch.

In Baden-Württemberg gelten nach Angaben des Robert Koch-Instituts
knapp 70 Prozent der Bevölkerung als vollständig geimpft - eine
Auffrischungsimpfung (Booster) haben bisher rund 40 Prozent der
Baden-Württemberger erhalten (Stand Montag).

Über eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona soll der Bundestag
voraussichtlich in diesem Jahr in freier Abstimmung ohne
Fraktionsdisziplin entscheiden. Unter anderen hatte sich
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für eine allgemeine Impfpflicht
ausgesprochen, aber auch FDP-Parteichef Christian Lindner geht nach
eigener Aussage in diese Richtung.

Zuletzt hatte der stellvertretende FDP-Vorsitzende, Wolfgang Kubicki,
Befürworter einer allgemeinen Corona-Impfpflicht scharf kritisiert
und ihnen Rache an Ungeimpften als Motiv unterstellt. Kubicki und
weitere FDP-Abgeordnete hatten sich in einem Antragsentwurf klar
gegen eine solche Pflicht ausgesprochen. Mittlerweile haben sich laut
Kubicki mehr als 30 Parlamentarier beteiligt.