Starker Omikron-Anstieg erwartet - Kürzere Quarantäne im Gespräch Von Basil Wegener und Sascha Meyer, dpa

Viele Ungeimpfte werden wohl von Omikron getroffen - das sagt der
Gesundheitsminister voraus. Auch Geimpfte sind anfällig. Kürzere
Quarantäne soll möglicherweise helfen, das Land am Laufen zu halten.

Berlin (dpa) - Unter dem Druck einer wachsenden Omikron-Welle in
Deutschland wollen Bund und Länder über eine Verkürzung von
Quarantänezeiten und Kontaktbeschränkungen beraten.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet mit einer schnellen
Entscheidung über eine Verkürzung der Quarantänefristen. Sollte
kritische Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung aufgrund von
Quarantäne an die Grenzen geraten, könnten verkürzte Quarantänezeit
en
erforderlich sein, sagte ein Sprecher seines Ministeriums am Montag
in Berlin. An diesem Dienstag soll der Expertenrat der
Bundesregierung die Lage in einer Videokonferenz beraten.

Bis zu den nächsten Bund-Länder-Beratungen auf Spitzenebene am
Freitag soll es auch mehr Klarheit über die Verbreitung der
Corona-Variante Omikron und das Ausmaß der Welle geben. Wegen der
Feiertage waren die offiziellen Daten weiter lückenhaft.

Offiziell gab es zum Wochenstart 232,4 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner und sieben Tagen. Somit stieg die Inzidenz laut Robert
Koch-Institut (RKI) am fünften Tag in Folge an. Binnen eines Tages
gab es 18 518 Corona-Neuinfektionen und 68 Todesfälle. Lauterbachs
Sprecher bekräftigte, dass die Zahlen tatsächlich etwa zwei bis drei
Mal höher ausfallen dürften. Bis Ende der Woche werde es «sehr valide

Zahlen» geben. Lauterbach sagte am Sonntagabend bei RTL/ntv: «Die
Fallzahlen werden sehr stark steigen, und das wird dann auch viele
Ungeimpfte treffen, und die sind nicht geschützt. Daher mache ich mir
da große Sorgen.»

Die Schritte zu den nächsten Corona-Beschlüssen:

Um zu verhindern, dass die Omikron-Welle zu groß werde, werde es bei
der Bund-Länder-Runde «auf jeden Fall neue Beschlüsse geben», sagte

Lauterbach. Dabei gehe es um eine Änderung bei der Quarantäne, aber
zum Beispiel auch um die Frage, welche Kontaktbeschränkungen
angemessen seien. Regierungssprecher Steffen Hebestreit nannte als
Reihenfolge der Beratungen: Expertenrat, Staats- und
Senatskanzleichefs, Regierungschefs - dann werde klar, «ob und wenn
ja wann und was zu tun ist». Der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef
Hendrik Wüst (CDU), sagte in der ARD, bei der
Ministerpräsidentenkonferenz werde unter anderem über die Fortsetzung
der Booster-Kampagne gesprochen sowie über Daseinsvorsorge und
Quarantäne-Regelungen.

In seiner ersten Stellungnahme hatte der Expertenrat mit
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Weihnachten vor einer
«explosionsartigen Verbreitung» von Omikron und «hohen Risiken für

die kritischen Infrastruktur» gewarnt. Gemeint sind unter anderem
Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Telekommunikation,
Strom- und Wasserversorgung. Ob das Gremium erneut eine Stellungnahme
abgebe, sei unklar, sagte Hebestreit. Der Rat - unter anderem mit dem
Berliner Virologen Christian Drosten und seinem Bonner Kollegen
Hendrik Streeck - solle offen diskutieren und tage vertraulich.

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD)
forderte die erneute Feststellung der epidemischen Lage nationaler
Tragweite. Die Ampelkoalition hatte die Notlage als eine ihrer ersten
Entscheidungen überhaupt auslaufen lassen. «Wir brauchen alle
rechtlichen Mittel, die uns die Bundesgesetzgebung an die Hand gibt,
um vor Ort und regional so reagieren zu können, wie wir das für
richtig erachten», sagte Drese auf NDR Info. Zuvor hatten etwa schon
Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg die Rückkehr zu dieser
Rechtsbasis verlangt.

Verkürzte Quarantäne:

Heute gilt grundsätzlich: Bei engem Kontakt zu einer positiv auf
Corona getesteten Person soll man für zehn Tage in häusliche
Quarantäne. Diese kann mit einem negativen Antigen-Schnelltest auf
sieben Tage verkürzt werden, mit einem negativen PCR-Test auf fünf
Tage. Die Entscheidung über die Quarantäne liegt beim zuständigen
Gesundheitsamt. Wenn das überlastet ist und sich zunächst nicht damit
befasst, soll man selbstständig zuhause bleiben. Zu unterscheiden ist
davon die Isolierung: Wer selbst infiziert ist, soll 14 Tage nach
Symptombeginn in Isolierung - vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn
sie danach symptomfrei und negativ PCR-getestet sind.

Zur möglicherweise verkürzten Zeiten sagte der Sprecher des
Gesundheitsressorts: «Selbstverständlich darf man da nicht zu groß
ins Risiko gehen.» Die Gesundheitsämter könnten schon heute
Unterschiede bei der Quarantänedauer machen. Rechtlich sei es so,
dass die Länder in der Verantwortung für entsprechende Regeln seien.
Aber das RKI gebe dazu eine Empfehlung ab, die bundesweit gelte. Wüst
sagte mit Blick auf die vergleichsweise leichteren Omikron-Verläufe,
entschieden werden müsse, ob 14 Tage wirklich nötig seien oder ein
paar Tage weniger auch in Ordnung wären.

Impfungen und Impfpflicht:

Nicht geimpft sind laut RKI aktuell 21,5 Millionen Menschen in
Deutschland. Darunter sind 4 Millionen Kindern bis vier Jahren ohne
Impfmöglichkeit. 59,2 Millionen Menschen sind zweifach geimpft oder
haben die Einmalimpfung von Johnson & Johnson erhalten. Das sind 71,2
Prozent der Gesamtbevölkerung. Mindestens 32,3 Millionen Menschen -
38,9 Prozent - haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Gegen die Omikron-Variante nimmt der Immunschutz ohne eine solche
Boosterimpfung mit der Zeit stark ab.

Dabei zieht die Corona-Impfkampagne im neuen Jahr langsam wieder an.
Am Sonntag wurden mindestens 129 069 Impfungen verabreicht. Am
Neujahrstag waren es demnach bundesweit gerade einmal 25 582 gewesen.
Auch bei den Impfdaten gibt es laut RKI eine Untererfassung.

NRW-Regierungschef Wüst drückt bei der geplanten Corona-Impfpflicht
aufs Tempo. Bevor Olaf Scholz (SPD) Kanzler geworden sei, habe er sie
für Februar avisiert. «Das Wort muss auch gelten, wenn er Kanzler
ist.» Zu viele Menschen in Deutschland hätten bislang keine Erst-
oder Zweitimpfung. «Wir brauchen diese Impfpflicht.»