Omikronwelle lässt Sorge um Millionen Ungeimpfte wachsen Von Basil Wegener, dpa

Omikron breitet sich in Deutschland rasant aus - aber niemand weiß,
wie groß die Welle schon ist. Millionen Ältere ohne Impfschutz gelten
als akut gefährdet. Doch insgesamt macht Omikron auch etwas Hoffnung.

Berlin (dpa) - Bundesregierung und führende Virologen blicken mit
vorsichtigem Optimismus, aber akuter Sorge um die Millionen
Ungeimpften auf die wachsende Omikron-Welle in Deutschland. Studien
zeigten, dass sich Omikron wesentlich schneller verbreite, aber auch
etwas weniger schwere Fälle verursache, sagte
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) der «Bild am
Sonntag». «Das ist aber keine Entwarnung für ältere Ungeimpfte.»

Knapp 13 Prozent der mehr als 24 Millionen Menschen ab 60 sind nicht
gegen Corona geimpft. Insgesamt sind mehr als 20 Millionen Menschen
in Deutschland nicht geimpft. Die Corona-Inzidenz stieg am Sonntag
den vierten Tag in Folge.

Der Wert lag bei 222,7 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und
Woche. An den Feiertagen wurden aber laut Robert Koch-Institut (RKI)
wohl viele Fälle nicht erfasst. Derzeit ist deshalb unklar, wie hoch
die Omikron-Welle in Deutschland bereits ist. Ihr Höhepunkt wird erst
noch erwartet. Binnen eines Tages gab es 12 515 Neuinfektionen.

Lauterbach ist nach eigenen Worten «sehr, sehr in Sorge» um die
Ungeimpften. Er appellierte noch einmal an die Menschen, sich gegen
Corona impfen zu lassen. «Viele Ungeimpfte haben das Gefühl, dass der
Zug für sie eh abgefahren sei. Das stimmt nicht!» Die erste Impfung
senke das Sterberisiko bereits nach 14 Tage drastisch. «Mit der
Steigerung der Erstimpfungen können wir in der Omikron-Welle die Zahl
der Corona-Toten wirksam senken», sagte er.

Der Minister rief auch noch einmal zum Tragen von Masken auf. «Die
Viruslast der Infizierten ist bei Omikron niedriger, deshalb wirken
Masken besser.» In den Schulen sei konsequentes Tragen der Masken
sogar «ein absolutes Muss für alle Klassen». Der Deutsche
Kinderschutzbund sieht ein striktes Beharren auf Präsenzunterricht in
den Schulen kritisch. «Es kann keine Lösung sein, unter allen
Umständen auf Präsenzunterricht zu pochen», sagte Präsident Heinz
Hilgers der «Rheinischen Post».

Wegen der befürchteten explosionsartigen Ausbreitung von Omikron
fürchten die Expertinnen und Experten weiter eine Überlastung der
Kliniken, obwohl die Variante seltener krank macht. Nach Angaben des
Berliner Virologen Christian Drosten trägt ein Ungeimpfter mit
Omikron-Infektion drei Viertel des Risikos einer Klinikeinweisung
eines Ungeimpften mit der Delta-Variante von Corona. Für Ungeimpfte
vor allem über 60 wird es laut Drosten jetzt «richtig gefährlich».


Noch gar nicht geimpft sind 25,8 Prozent der Gesamtbevölkerung in
Deutschland. Das ist mehr als jeder vierte Bürger - 21,5 Millionen
Menschen. Darunter sind rund 4 Millionen Kinder bis vier, die noch
nicht geimpft werden können. Mindestens 71,2 Prozent der
Gesamtbevölkerung haben den Immunschutz von in der Regel zwei
Impfungen. Mindestens 38,7 Prozent haben zusätzlich eine
Auffrischungsimpfung erhalten.

Vor dem Hintergrund der Sorge vor einem schlagartigen Personalausfall
in Kliniken und anderen Versorgungsbereichen sprach sich der
Präsident des Deutschen Landkreistags für eine kürzere
Corona-Quarantäne aus. «Eine Verkürzung der Quarantäne kann sich al
s
sinnvoll erweisen», sagte Landrat Reinhard Sager den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe. Derzeit ist so ein Schritt nach Ansicht von
Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) aber noch
nicht nötig.

«Jetzt im Moment brauchen wir das noch nicht, weil unsere kritische
Infrastruktur noch nicht außer Gefecht gesetzt ist», sagte Giffey im
Deutschlandfunk. Sie sehe das als Stufenmodell. Erst wenn absehbar
sei, dass Polizei, Feuerwehr und andere Institutionen nicht mehr
arbeitsfähig seien, müsse eine solche Maßnahme beschlossen werden.

Für den 7. Januar ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zur
Corona-Lage anberaumt. Lauterbach hatte Vorschläge für die neue Woche
angekündigt. Es gehe etwa darum, was der Omikron-Anstieg für die
Kontaktreduzierungen und die Dauer von Quarantänezeiten bedeute.

Hoffnungsvolle Vorhersagen gibt es für kommendes Frühjahr. Erwartet
wird, dass es im Frühjahr an Omikron angepasste Impfstoffe gibt.
Geimpfte haben laut dem Virologen Drosten nach einer weiteren an
Omikron angepassten Impfung einen breiten Schutz gegen die Varianten.
Nicht verlassen könne man sich darauf, dass Ungeimpfte, die mit
Omikron erstmals eine Corona-Infektion bekommen, «dass die damit auch
geschützt sind gegen Delta und alle Vorgängerviren, die
co-zirkulieren werden», sagte Drosten am Freitag im Deutschlandfunk.

Doch Omikron kann laut Drosten und Lauterbach in eine endemische
Situation führen. Das heißt, dass Corona weiter zirkulieren würde,
eine Gesellschaft aber besser damit leben kann - und keine
Überlastung des Gesundheitswesens mehr befürchtet wird.

Möglichst noch im Januar soll mit dem Medikament Paxlovid ein neues
Mittel zur Behandlung schwerer Covid-19-Verläufe in Deutschland
eingesetzt werden können. Es stammt vom US-Pharmakonzern Pfizer. «Ich
bin zuversichtlich, dass wir bis Ende dieses Monats das dafür
notwendige Paket geschnürt haben, dass wir also Lieferungen des
Medikaments erhalten und eine Notfallzulassung erreicht haben», sagte
Lauterbach der «Welt am Sonntag». Das Bundesinstitut für Arzneimittel

und Medizinprodukte bereite eine nationale Zulassung vor.

Lauterbach hatte bereits vor einer knappen Woche die Order von einer
Million Packungen Paxlovid bekanntgegeben und eine Notfallzulassung
angekündigt. Die Pillen sollen die Vermehrung des Virus im Körper
stoppen und so schwere Krankheitsverläufe bei Hochrisikopatienten
verhindern. Zu möglichen Nebenwirkungen gehören eine Beeinträchtigung

des Geschmackssinns, Durchfall, Bluthochdruck und Muskelschmerzen.