Oberammergauer Spielleiter: Mehr Raum für Frauen in der Passion

Bei der Speisung der 5000 ist in der Bibel nur von Männern die Rede -
Frauen und Kinder nicht mitgerechnet, heißt es je nach Evangelium.
Frauen ringen bis heute um mehr Gewicht in der Kirche. Spielleiter
Stückl sieht das Thema auch bei den Oberammergauer Passionsspielen.

Oberammergau (dpa) - Der Oberammergauer Spielleiter Christian Stückl
will bei den Passionsspielen die Rolle der Frauen voranbringen. Nur
drei von 20 Hauptrollen sind weiblich. Er habe bereits zusätzliche
weibliche Rollen eingebaut, etwa die der Veronika und die der Ehefrau
des Pilatus, sagte Stückl (60) der Deutschen Presse-Agentur. «Aber
wenn man genau fragt und wenn ich ehrlich bin ist: Es ist immer noch
zu wenig. Da muss noch ein bisschen mehr passieren.»

Stückl inszeniert die alle zehn Jahre stattfindende Passion in
Oberammergau, deren 42. Ausgabe 2020 ausfiel und nun ab Mai 2022 vier
Monate nachgeholt werden soll, zum vierten Mal.

Er hat sie grundlegend reformiert, von antisemitischen Passagen
befreit und modernisiert. Verheiratete Frauen dürfen heute die Maria
spielen - bis zu seiner ersten Inszenierung 1990 ein Tabu. Dennoch
sieht Stückl bei den Frauenrollen noch «Luft nach oben» - etwa auch
in der Gewichtung.

Darstellerinnen in eine Männerrolle schlüpfen zu lassen, um ihnen
mehr Chancen auf der Bühne zu geben, ist für Stückl aber kein Weg. Er

könne sich im Theater gut vorstellen, einen Hamlet von einer Frau
spielen zu lassen, sagt Stückl, der auch Intendant des Münchner
Volkstheaters ist. Aber in Oberammergau sei man zu sehr in einem
«historisierenden Bereich».

In der Bibel sei nicht viel über die Frauen in der Gefolgschaft Jesu
dokumentiert. Deshalb sei er hier «zaghaft». Mehr darüber sei in den

apokryphen Schriften zu lesen, die nicht in einen biblischen Kanon
aufgenommen wurden. Demnach hatte unter anderem Susanna Jesus
unterstützt. «Man weiß, wenn man die apokryphen Schriften anschaut,
dass die Frauen fast eine größere Rolle gespielt haben könnten als
die Männer», sagt Stückl.

«Ich brauche noch eine Passion, um die Frauenrollen größer zu
bringen», sagt Stückl. Eventuell gehe die Aufgabe dann aber an
Jüngere. Für seine Nachfolge könne er sich eine Frau als
Spielleiterin «absolut vorstellen, ohne Wenn und Aber». Die nächste
Passion wäre 2030 an der Reihe.