Pflegerat fordert wegen Personalnot 4000 Euro Einstiegsgehalt

Immer mehr Menschen in Deutschland brauchen Pflege, aber das Personal
ist knapp, und Beschäftigte klagen über schlechte Arbeitsbedingungen.
Experten sprechen vom Pflegenotstand. Beim Pflegetag in Berlin wird
über Lösungen diskutiert.

Berlin (dpa) - Wegen des Personalmangels in der Pflege hat der
Deutsche Pflegerat ein Einstiegsgehalt von 4000 Euro brutto im Monat
für Pflegefachkräfte aller Bereiche gefordert. Die Vorsitzende des
Pflegerates, Christine Vogler, sagte am Mittwoch in Berlin anlässlich
des «Deutschen Pflegetages»: «Der Pflegepersonalmangel kommt aus
meiner Sicht für die Gesellschaft gleich nach der Klimakatastrophe.»
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstützte die
Forderungen nach besserer Bezahlung, verwies dabei aber auch auf die
Verantwortung der Tarifpartner.

Im Pflegerat als Dachverband haben sich große Berufsverbände der
Pflegebranche zusammengeschlossen. Beim Pflegetag als größtem
Branchenkongress beraten bis Donnerstag Experten aus Politik,
Wirtschaft und Verbänden über die aktuellen Herausforderungen in der
Branche.

Es brauche bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, und das bedeute
einen gerechteren Lohn, sagte Vogler. «Einer der ersten elementaren
Schritte ist es, die Vergütung von Pflegefachpersonen in allen
Versorgungsgebieten auf ein Grundniveau von 4000 Euro anzuheben.» Sie
verwies dabei auf die Belastungen und Verantwortung des Pflegeberufs.
Mehr Lohn bedeute zudem einen besseren Zulauf und besseren Verbleib
im Beruf und die Chance, Berufsrückkehrer zu gewinnen.

Die Verdienstmöglichkeiten in der Branche sind unterschiedlich, je
nach Region und Arbeitsbereich. So bekamen laut Statistischem
Bundesamt Krankenpflegerinnen und -pfleger im vergangenen Jahr im
Durchschnitt 3578 Euro brutto im Monat. Bei Fachkräften in
Pflegeheimen waren es durchschnittlich 3363 Euro, in Altenheimen 3291
Euro. Die Unterschiede seien unter anderem darauf zurückzuführen,
dass in der Krankenpflege vielfach Tariflöhne gezahlt würden, hieß
es.

Im Kampf gegen die Personalnot forderte der Pflegerat außerdem den
Einsatz sogenannter Personalbemessungsverfahren, also Berechnungen,
wie viele Beschäftigte in einer Einrichtung nötig sind, um eine gute
Pflege sicherzustellen. Die Personalplanung müsste sich dann danach
richten.

Die Probleme im Pflegebereich sind gravierend: Nach Angaben des
Pflegerats fehlen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen mehr als
200 000 Pflegerinnen und Pfleger. Laut Bundesagentur für Arbeit sind
die Beschäftigtenzahlen zwar in den vergangenen Jahren gestiegen -
rund 1,7 Millionen Menschen arbeiten demnach
sozialversicherungspflichtig in der Kranken- und Altenpflege. Aber
auch die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt. Der Pflegerat
rechnet mit einem Anstieg von jetzt rund 4,1 auf 5,1 Millionen im
Jahr 2030. Die Personalknappheit führt bei anwesenden Pflegekräften
zu Überlastung, und viele spielen auch mit dem Gedanken, den Job zu
verlassen, was die Knappheit weiter verstärken würde.

«Jedes Krankenhaus, jeder ambulante oder stationäre Pflegedienst in
Deutschland sucht gerade Personal und hat das Geld für die Stellen,
kann sie nur nicht besetzen», sagte der scheidende
Bundesgesundheitsminister Spahn am Mittwoch beim Pflegetag. Dieses
Thema sei die große Aufgabe für die 20er Jahre, dafür brauche es
einen langen Atem, per Gesetz sei das aber nicht aufzulösen.

Die große Koalition hat nach Ansicht von Spahn bei der Pflege in den
vergangenen Jahren «ziemlich viel angepackt». Er verwies auf neu
entstandene Stellen, bessere Bezahlung etwa durch Mindestlöhne in der
Altenpflege und Reformen in der Ausbildung, wie die Abschaffung des
Schulgelds. Die Auszubildendenzahlen in der Pflege seien so hoch wie
nie zuvor.

Spahn stimmte Forderungen der Pflegebeschäftigten nach einer besseren
Bezahlung zu und sprach sich auch für eine weitere Erhöhung von
Mindestlöhnen aus. Die Frage der Tarifverhandlungen sei aber eine
Aufgabe zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. «Ein Thema kann
Ihnen, wer immer Minister oder Ministerin wird in den nächsten 20
Jahren, keiner abnehmen», sagte er an die Teilnehmer des Kongresses
gerichtet. Das sei die Frage, «wie sehr Sie sich selbst zusammentun,
um ihre Interessen durchzusetzen». Jedes Krankenhaus und jeder
Pflegedienst suche Personal. «Sie sitzen am längeren Hebel.»