Lehrerverband: «Freedom Day» an Schulen nicht vor Frühjahr

Die Sommerferien sind abgehakt. In allen Bundesländern ist wieder
Schule. Wird es das dritte Corona-Schuljahr in Folge?
Bildungsverbände und Schülervertreter sehen noch einen langen Weg bis
zur Normalität.

Berlin (dpa) - Während Corona-Maßnahmen in vielen Lebensbereichen
immer mehr gelockert werden, müssen Kinder, Jugendliche und
Lehrkräfte nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands wohl noch
Monate mit Einschränkungen wie Masken, Tests und Abstandsregeln
zurechtkommen. Den «Freedom Day» für Schulen sehe man frühestens ab

etwa Februar 2022 als wahrscheinlich und möglich an, sagte der
Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der
Deutschen Presse-Agentur.

Auch die Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, die hunderttausende
Lehrkräfte in Deutschland vertreten, sehen die Schulen im neuen
Schuljahr, das nun überall in Deutschland läuft, noch weit von einer
Normalität wie vor Corona entfernt. Die Bundesschülerkonferenz
befürchtet erneut einen Herbst und Winter, in dem Schülerinnen und
Schüler wegen der Lüftungsvorgaben frierend mit Mütze, Schal und
Winterjacke im Klassenzimmer sitzen.

«So lange in der Schule Masken getragen, Tests stattfinden und immer
wieder Schülergruppen oder ganze Klassen in Quarantäne geschickt
werden müssen, sind wir von einer Normalisierung des Schulalltags
weit entfernt», sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze,
der dpa. «Es bleibt schwierig, einerseits eine gute Beziehungsarbeit
aufzubauen, die für das soziale Miteinander unerlässlich und
Grundlage des gemeinsamen Lernens ist, wenn andererseits aus guten
Gründen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einzuhalten sind.» Eine
seriöse Prognose über ein mögliches Ende von Corona-Maßnahmen wie
Masken an Schulen könne man nicht abgeben.

An einen Schulalltag wie vor Corona sei weiter nicht zu denken, sagte
der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. «Dafür nimmt das Testen,
Abstandhalten und die Unterbrechung durch das ständige Lüften weiter
zu viel Platz ein. Vielerorts kann zudem das, was kindgerechte Schule
ausmacht, das Lernen in wechselnden Gruppen und an Projekten, nicht
umgesetzt werden.» Auch alle organisatorischen Abläufe seien
weiterhin im «Corona-Modus». «Sei es die ständige Bereitschaft der

Schulleitungen für Anfragen der Gesundheitsämter oder das Einhalten
von Abstandsregeln auf dem Pausenhof.»

Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, sieht zwar
inzwischen deutlich mehr Normalität an den Schulen als noch vor den
Sommerferien. «Es ist trotzdem ein Corona-Schuljahr bis jetzt.»
Schramm wies etwa auf Quarantäne-Anordnungen bei Schülern hin.
Außerdem werde es nun zunehmend kälter. «In den Klassen wird wieder
gelüftet. Wir erleben jetzt wieder immer mehr die Situation mit
Winterjacke im Unterricht.» Der Schülervertreter kritisierte, es gebe
immer noch zu wenig Luftfilter. Damit könnte man das Lüften besser
regulieren und «ein wenig dieses Frieren der Schülerinnen und Schüler

abwenden».

Daten aus dem Bundeswirtschaftsministerium hatten gezeigt, dass
inzwischen zwar 546 Millionen Euro der vom Bund zur Verfügung
gestellten Mittel für den Ein- und Umbau von Lüftungsanlagen in
öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kitas beantragt sind - abgeflossen
sind aber erst 460 000 Euro. Luftfilter und Luftreiniger würden
anscheinend eher in Parlamenten und Ministerien aufgebaut und nicht
in Schulen, kritisierte der VBE-Vorsitzende Beckmann.

Zur Frage einer gänzlichen Aufhebung von Corona-Maßnahmen an Schulen
sagte Lehrerverbands-Chef Meidinger, er hoffe auf eine baldige
Möglichkeit zur Impfung für Kinder unter zwölf Jahren. «In dem
Augenblick, wo alle Schülerinnen und Schüler ein Impfangebot erhalten
haben und wahrnehmen konnten, ist an den Schulen die weitgehende
Aufhebung von Gesundheitsschutzmaßnahmen wie etwa der Maskenpflicht
möglich und auch verantwortbar.» Ab diesem Zeitpunkt falle die
Verantwortung für eine Erkrankung von Nichtgeimpften in den privaten
persönlichen Verantwortungsbereich jedes Einzelnen.

Für Kinder unter 12 gibt es bisher keinen zugelassenen Impfstoff
gegen Corona. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet mit einer
Zulassung in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres.