WHO sieht Gesundheitssystem in Afghanistan vor dem Kollaps

Genf (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt wegen der
Lage in Afghanistan Alarm. «Afghanistans Gesundheitssystem steht vor
dem Kollaps», teilten WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und der
Regionaldirektor für die Region, Ahmed Al-Mandhari, am Mittwoch nach
einem Besuch in Kabul mit. «Wenn nicht dringend etwas unternommen
wird, steht eine humanitäre Katastrophe unmittelbar bevor.»

Weil nach der Machtübernahme durch die Taliban im August Hilfsgelder
gestoppt wurden, hätten Tausende Gesundheitseinrichtungen kein Geld
mehr für Material oder die Bezahlung der Mitarbeiter. Kliniken seien
deshalb teils geschlossen worden, und Pflegepersonal sei gezwungen
darüber zu entscheiden, wer gerettet werde und wer sterben müsse.
Weil weniger weibliche Pflegekräfte zur Arbeit gingen, blieben auch
Patientinnen den Kliniken fern. Die WHO investiere aber weiter in die
Ausbildung von Frauen in diesem Bereich.

Neun von 37 Covid-Kliniken hätten schließen müssen, es werde weniger

auf das Coronavirus getestet und geimpft. Es gebe 1,8 Millionen
Corona-Impfdosen im Land, die dringend verabreicht werden müssten.
Die Ausrottung von Polio sei in Gefahr und Masernfälle häuften sich.
Die WHO stehe mit Partnern bereit, um im ganzen Land von Haus zu Haus
zu gehen und gegen Polio, Masern und eine Corona-Infektion zu impfen.

Die WHO hat nach eigenen Angaben seit der Machtübernahme der Taliban
170 Tonnen medizinisches Material nach Afghanistan gebracht. Für die
Fortsetzung der Hilfe benötigt die WHO für die kommenden vier Monate
gut 38 Millionen Dollar (knapp 33 Millionen Euro).