Spürhunde sollen Corona-Infektionen riechen - und Konzerte sichern Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Hunde haben einen außergewöhnlichen Geruchssinn - und können sogar
Corona-Infektionen erschnüffeln. Das muss man doch nutzen können, und
ein Forschungsprojekt in Hannover will tatsächlich Corona-Spürhunde
bei Konzerten einsetzen. Ein Versuch mit Tausenden von Besuchern.

Hannover (dpa) - Cordula ist aufgeregt und neugierig, die Berner
Sennenhündin schnüffelt eifrig und wedelt mit dem Schwanz. Ob sie
ahnt, wie wichtig ihre Aufgabe ist? Sie ist eine Corona-Spürhündin.
Cordula müsse mit Stress umgehen können und außerdem mit Futter und
Spielzeug motivierbar sein, erklärt Sprengstoff-Hundeführer Daniel
Jannett am Donnerstag. Das ist die einstige Familienhündin und das
ist gut: Denn auf der Suche nach Infektionen sei die Probenmenge
deutlich größer als bei der Suche nach Sprengstoff. Erstmals in
Deutschland sollen Corona-Spürhunde im Praxiseinsatz für ein
Forschungsprojekt in Hannover dabei helfen, eine Konzertreihe
sicherer zu machen.

Ziel sei, «Gefährdungspotenziale herunterzudampfen» - und zu klären
,
ob der Einsatz der Hunde eine Option sei, sagt Niedersachsens
Wissenschaftsminister Björn Thümler. «Es gibt weltweit Interesse an
dem Projekt», betont der CDU-Politiker. Holger Volk, Leiter der
Klinik für Kleintiere an der Tierärztlichen Hochschule Hannover,
spricht von weltweit 26 Studien, die alle ergeben hätten, dass Hunde
Corona-Infektionen erschnüffeln könnten - auch bei Menschen ohne
Symptome. Zwar gebe das Virus keinen Geruch ab, verändere aber den
Stoffwechsel befallener menschlicher Zellen. Das könne der Hund
riechen.

Im Praxistest soll sich zeigen, wie gut das funktioniert. Die
vierteilige Konzertreihe startet am Sonntag mit Fury in the
Slaughterhouse auf der Gilde-Parkbühne in Hannover - gesichert von
Corona-Spürhunden. Die Reihe wird fortgesetzt mit Bosse (27.
September), Alle Farben (2. Oktober) und Sido (9. Oktober) - und ist
Teil des Projekts «Back to Culture» von Tierärztlicher Hochschule,
Hannover Concerts und ProEvent Hannover, das vom Ministerium mit 1,3
Millionen Euro gefördert wird. Die Studie könne einen «Lichtblick f
ür
Künstlerinnen und Künstler bedeuten», betont Thümler.

Jeder Besucher muss beim Einlass Schweißproben abgeben, indem er oder
sie mit einem Wattepad über die Armbeuge streicht - dort gibt es am
wenigsten Fremdgeruch, wie Volk sagt. Beim ersten Konzert mit 500
Besuchern sollten fünf bis sechs Hunde im Einsatz sein. Bei den
folgenden Konzerten steigen die Besucherzahlen nach und nach auf bis
zu 1500 - und immer mehr Corona-Regeln entfallen. Beim letzten
Konzert müssen nicht einmal mehr Masken getragen werden.

Dabei sein dürfen jedoch in jedem Fall nur Menschen, die sich am
gleichen Tag in einem Schnelltestzentrum in Hannover haben testen
lassen: Dort werden zwei Abstriche für Antigen-Schnelltests und
PCR-Tests sowie ebenfalls eine Schweißprobe für die Hunde entnommen.
Anschließend werden Tests und Ergebnisse von Geruchsproben
verglichen.

Dabei gilt: Die Hunde laufen nicht durch die Menschenmenge, sondern
bekommen die Proben abseits davon präsentiert, wie der Leiter der
Klinik für Kleintiere erklärt. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass
die Menschen mit den Hunden «positiv interagieren», also kuscheln,
wollten. Teils bekämen die Hunde Sammelproben über eine
Probenmaschine, aus deren Löchern Gerüche strömen, teils liefen sie
an einer Reihe von Proben entlang. «Das ist für die ein Spiel», sagt

Volk.

Bereits im Sommer 2020 hatte ein Forscherteam unter Leitung der
Tierärztlichen Hochschule eine Studie veröffentlicht, für die acht
Spürhunde der Bundeswehr auf das Erkennen von Corona-Infektionen
trainiert worden waren. Schon nach achttägigem Training konnten die
Hunde von 1012 Speichel- oder Atemwegssekret-Proben 94 Prozent
korrekt identifizieren. Eine Folgestudie ergab, dass auch Schweiß und
Urin geeignetes Probenmaterial sind. Es sei die erste Studie
überhaupt gewesen, erklärt Volk. Etwa in Helsinki und Dubai kommen
Corona-Spürhunde aber schon am Flughafen zum Einsatz. Bis Mitte
Oktober sollten die Tests abgeschlossen sein, sagt Thümler.

Lassen sich Hunde auch bei Großveranstaltungen mit 50 000 Menschen
und mehr einsetzen? Das sei eine Herausforderung, sagt der Präsident
der Tierärztlichen Hochschule, Gerhard Greif. Er glaube aber nicht,
dass Corona-Spürhunde die Lösung etwa bei Fußballspielen seien.