Strengere Corona-Regeln für Ungeimpfte - Berlin ändert 2G-Regel

Auf Ungeimpfte kommen immer mehr Einschränkungen zu. Doch wie genau
das aussehen soll - darüber gibt es heftige Debatten. In der
Hauptstadt wurden die Regeln für den Herbst nach heftigen Protesten
geändert.

Berlin (dpa) - Geplante strengere Corona-Regeln für Ungeimpfte in
mehreren Bundesländern haben unterschiedliche Reaktionen
hervorgerufen. In Berlin verständigte sich der Senat nach breitem
Protest am Mittwoch darauf, dass doch auch Kinder unter zwölf Jahren
Zugang zu Restaurants oder Veranstaltungen haben sollen, die sonst
nur von Geimpften und Genesenen besucht werden dürfen.
Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte dazu
aufgerufen, bei der Umsetzung sogenannter 2G-Regeln in der
Corona-Pandemie Rücksicht auf Familien mit Kindern zu nehmen.
Familien dürften nicht noch einmal zusätzlich belastet werden, sagte
Lambrecht.

In Berlin hatte der Senat zunächst die Einführung eines
2G-Optionsmodells beschlossen - Betreiber sollten für viele Bereiche
künftig selbst entscheiden können, ob sie den Zutritt zu Innenräumen

nur noch Geimpften und Genesenen vorbehalten wollen. Kinder wären
dann außen vor gewesen. Schließlich ließ Berlin doch Ausnahmen zu -
auch Kinder unter zwölf Jahren sollen nun Zugang zu Restaurants oder
Veranstaltungen haben.

Auch andere Länder wie Hessen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und
Sachsen hatten angekündigt, dass Betreiber und Veranstalter im Kampf
gegen die vierte Welle nur noch Geimpften und Genesenen Zugang zu
Innenräumen gestatten können sollen. Im Gegenzug könnten sie auf
Masken- und Abstandsgebote verzichten. Ein negativer Corona-Test
allein soll nicht mehr reichen.

In Niedersachsen stellte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das
Optionsmodell Betreibern und Veranstaltern in Aussicht. Die Mehrheit
der dortigen Gastronomen befürwortet die 2G-Regel laut dem Deutschen
Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Viele Betriebe wollten aber
auch niemanden ausgrenzen, sagte die Dehoga-Geschäftsführerin für
Niedersachsen, Renate Mitulla, der Deutschen Presse-Agentur. «Sie
wollen weiterhin auch Menschen ohne Impfung in ihren Betrieben
willkommen heißen.»

Für Debatten sorgt zudem die Frage, ob Ungeimpfte bald keinen
Anspruch auf Entschädigung bei Verdienstausfällen wegen angeordneter
Quarantäne mehr haben sollen. Die Gesundheitsministerinnen und
-minister von Bund und Ländern wollen am kommenden Mittwoch darüber
beraten. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB),
Reiner Hoffmann, sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, das wäre eine
«Impfpflicht durch die Hintertür». Im Zweifel müssten hier auch
Gesundheitsdaten offengelegt werden. Es sei ein Gebot der Solidarität
sich impfen zu lassen, aber nicht mit dem Instrument, den
Entgeltersatz zu streichen. Verdi-Chef Frank Werneke sagte den
Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch): «Die Politik steht im
Wort, dass Impfen freiwillig bleiben soll.»

Nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder werden drohende
Einkommenseinbußen für Ungeimpfte durch Quarantäneauflagen die
Impfbereitschaft weiter steigern. Er glaube, dass sowohl die nicht
mehr kostenlosen Corona-Tests als auch die neuen Quarantäneregeln
«dem einen oder anderen noch mal ein zusätzliches Argument geben», in

der Frage neu zu überlegen, sagte der bayerische Ministerpräsident am
Mittwoch im Münchner Presseclub.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der auch Vorsitzender
der Gesundheitsministerkonferenz ist, wies den Vorwurf einer
Impfpflicht durch die Hintertür zurück. Jeder könne sich impfen
lassen und eine Quarantäne vermeiden, sagte der CSU-Politiker am
Mittwoch im ARD-«Morgenmagazin». Auch der ehemalige Präsident des
Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hält mehr Freiheiten für

Geimpfte und Genesene für angemessen. In der Wochenzeitung «Die Zeit»

sprach sich der Jurist dafür aus, dass Geimpfte und Genesene
«intensiver am öffentlichen Leben teilnehmen» dürfen als Ungeimpfte
.

Mehr als 62 Prozent aller Menschen in Deutschland sind vollständig
gegen das Coronavirus geimpft. Das entspricht 51,9 Millionen Menschen
(62,4 Prozent), wie Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch via
Twitter mitteilte. 66,7 Prozent oder 55,5 Millionen Menschen sind
demnach mindestens einmal geimpft.

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland ist leicht gesunken. Das
Robert Koch-Institut gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner und Woche am Mittwochmorgen mit 77,9 an. Zum Vergleich: Am
Vortag hatte der Wert bei 81,1 gelegen, vor einer Woche bei 82,7.