Gericht: Kein zusätzliches Schmerzensgeld nach Germanwings-Absturz

Nach dem Germanwings-Absturz mit 150 Toten sehen viele Hinterbliebene
die Lufthansa in der Pflicht, mehr Entschädigung zu zahlen als
bisher. Die Hoffnungen, die auf dem Schadenersatzprozess lagen, sind
nun jedoch enttäuscht worden.

Hamm (dpa) - In einem Berufungsverfahren um zusätzliches
Schmerzensgeld sind die Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes vor
mehr als sechs Jahren abermals leer ausgegangen. Das
Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies am Dienstag die Berufungsklage von
drei Klägern zurück, die von der Konzern-Mutter Lufthansa für sich
und weitere Angehörige zusätzliches Schmerzensgeld in Höhe von je 30

000 Euro gefordert hatten. Das OLG bestätigte damit das Urteil des
Landgerichts Essen, das die Schadenersatzansprüche der Angehörigen im
Sommer 2020 abgewiesen hatte.

Bereits in der mündlichen Verhandlung am Nachmittag sprachen die
OLG-Richter von einer «recht klaren Urteilsbegründung» der
Vorinstanz. Die Argumentation im ersten Urteil, die medizinische
Überwachung sei eine hoheitliche Aufgabe des Staates, sei schlüssig.
Insofern sei die Lufthansa nicht der richtige Adressat, wenn man
Versäumnisse der Fliegerärzte geltend machen wolle. Vielmehr sei der
Bund der richtige Anspruchsgegner. Denn dessen Behörde, das
Luftfahrtbundesamt, sei verantwortlich für die Prüfung der
Flugtauglichkeit.

Die Richter verglichen dabei die Flugärzte mit TÜV-Sachverständigen,

die mit ihrer Arbeit für die Zulassung von nur sicheren Fahrzeugen im
Straßenverkehr ebenfalls staatliche Aufgaben wahrnähmen. Außerdem
seien die erlittenen Schäden der Hinterbliebenen nicht für jeden
Einzelfall konkret und differenziert genug dargestellt worden, um
einen Anspruch zu begründen. «So tragisch die Katastrophe ist, wir
sind gehalten, nach Recht und Gesetz zu entscheiden», sagte der
Vorsitzende Richter während der Verhandlung in Richtung der sichtlich
enttäuschten Angehörigen.

Am 24. März 2015 hatte den Ermittlungen zufolge der früher unter
Depressionen leidende Co-Pilot das Flugzeug in den französischen
Alpen absichtlich gegen einen Berg gesteuert. Dabei kamen alle 150
Insassen ums Leben. Die Kläger werfen die Lufthansa vor, die von ihr
beauftragten Flugmediziner hätten bei den regelmäßigen Untersuchungen

des Co-Piloten auf Flugtauglichkeit nicht gründlich genug gearbeitet.

So hätten sie Hinweise auf die depressive Vorerkrankung des Mannes
ignoriert und seine schwerwiegende psychische Erkrankung nicht
erkannt. «Wenn die Mediziner ihre Aufgabe ernst genommen hätten, wäre

die Katastrophe höchstwahrscheinlich nicht passiert, weil er gar
nicht mehr hätte fliegen dürfen», sagte Kläger-Rechtsanwalt Elmar
Giemulla am Rande der Verhandlung.

Viele Opfer kommen aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch 16 Schüler
und zwei Lehrer eines Gymnasiums aus Haltern am See am nördlichen
Rand des Ruhrgebiets. Die Kläger waren deshalb vor das Landgericht
Essen und nun nach Hamm gezogen. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. Die Revision ließen die Richter nicht zu. Dagegen
können die Kläger jedoch Beschwerde einlegen.

Ein weiteres Verfahren ist nach Auskunft der Hinterbliebenen-Anwälte
noch erstinstanzlich in Frankfurt anhängig. Dort gehe es um die
Ansprüche von rund 80 Angehörigen - und um insgesamt mehr als 3
Millionen Euro Schadenersatz.