Immer mehr Länder schärfen Corona-Regeln für Ungeimpfte nach

Zum Corona-Schutz soll in vielen Innenräumen die 3G-Regel gelten:
Herein können nur Geimpfte, Genesene oder Getestete. Zusehends werden
nun Optionen eröffnet, dass daraus vor Ort auch 2G werden kann.

Berlin (dpa) - Für den weiteren Kampf gegen die Pandemie im Herbst
und Winter schärfen immer mehr Bundesländer Corona-Regeln nach und
unterscheiden stärker zwischen Geimpften und Ungeimpften. Am Dienstag
kündigten Hessen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg und Sachsen
neue Möglichkeiten für Betreiber und Veranstalter an, wonach nur
Geimpfte und Genesene Zugang zu Innenräumen bekommen können - nicht
aber negativ Getestete. Dann sollen auch Auflagen entfallen können.
Die kürzlich beschlossene neue Messlatte zur Corona-Lagebewertung vor
allem anhand der Klinikpatienten tritt an diesem Mittwoch in Kraft.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte in Wiesbaden,
Corona entwickle sich zunehmend zu einer Pandemie der Ungeimpften.
«Deshalb betreffen die weiterhin notwendigen Einschränkungen vor
allem sie, während Geimpfte und Genesene davon immer weniger
betroffen sind.» Neben einer verpflichtenden 3G-Regelung (Zutritt für
Geimpfte, Genesene und Getestete) in vielen Innenbereichen führe das
Land daher ab diesem Donnerstag zudem ein «2G-Optionsmodell» ein. Das
biete die Möglichkeit, nur Geimpfte und Genesene einzulassen. Unter
den Ländern hatte zunächst Hamburg eine solche 2G-Option eingeführt.


Auch Sachsen-Anhalt führt sie nun ein. Wenn Betreiber entschieden,
nur Geimpfte, Genesene und Kinder bis 18 Jahre einzulassen, könne auf
Maskenpflicht, Abstandsregeln und Kapazitätsbeschränkungen verzichtet
werden, sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Für Berlin
beschloss der Senat ebenfalls ein 2G-Optionsmodell. Nach Worten von
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) soll eine neue Verordnung ab
Samstag für Gastronomie, Veranstaltungen, Sport oder Kultur gelten.
Auch Friseursalons oder Touristen-Angebote könnten auf 2G schwenken.
In Brandenburg beschloss das Kabinett ebenfalls 2G als Option.

Auch Sachsen will 2G als Optionsmodell einführen, wie die
Staatskanzlei mitteilte. Dies soll für Restaurants, Einrichtungen
oder Events von bis zu 5000 Menschen möglich sein, wenn der
Veranstalter es so entscheidet. Niedersachsens Ministerpräsident
Stephan Weil (SPD) kündigte an, dass die 2G-Regel in mehr Bereichen
angewendet werden könne - etwa in Gastronomie, Kultur,
Veranstaltungen oder Sport. Möglich ist es etwa schon in Diskotheken.

In Baden-Württemberg sollen voraussichtlich an diesem Donnerstag
strengere Corona-Regeln in Kraft treten, wie Gesundheitsminister
Manne Lucha (Grüne) sagte. Damit bekommt das Land ein mehrstufiges
Warnsystem, das sich nach der Intensivbetten-Belegung richtet. In
einer ersten Stufe hätten etwa Ungeimpfte nur noch mit einem
negativen PCR-Test Zugang zu bestimmten öffentlichen Bereichen. In
einem zweiten Schritt hätten Ungeimpfte unter anderem keinen Zutritt
mehr zu Restaurants, Kultur- und Sportveranstaltungen.

In Thüringen prüft das Gesundheitsministerium die Einführung einer
2G-Regelung für bestimmte Bereiche. In Schleswig-Holstein will die
Regierung am Mittwoch eine neue Verordnung beschließen, wonach ab
20. September Vorgaben zu Abstand und Masken für Geimpfte, Genesene
und negativ Getestete entfallen. Im Fall einer Verschärfung der
Corona-Lage ist generell «ein Übergang zu einer 2G-Regelung mit
3G-Option vorgesehen» - und bei 3G würden verstärkte Auflagen gelten.


Rheinland-Pfalz hat bereits Änderungen umgesetzt und drei Warnstufen
eingeführt. Für Geimpfte und Genesene sind unbegrenzte Zusammenkünfte

möglich. Dazu kann eine bestimmte Zahl Getesteter kommen. Auch in
Bayern sind neue Regeln in Kraft, die auch eine «Krankenhaus-Ampel»
als Indikator umfassen. 2G sei «theoretisch möglich und nicht
verboten, aber nicht vom Staat vorgeschlagen», hatte
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gesagt. In Nordrhein-Westfalen
soll die 3G-Regel bis auf weiteres unverändert bestehen bleiben.

Bei den Impfungen sind nun zwei Drittel (66,6 Prozent) aller Menschen
in Deutschland mindestens einmal geimpft. Vollständig mit der meist
nötigen zweiten Spritze geimpft sind laut Robert Koch-Institut (RKI)
inzwischen 51,8 Millionen Menschen oder 62,3 Prozent aller Einwohner.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief auch mit Blick auf
eine noch bis Sonntag laufende bundesweite Aktionswoche dazu auf,
Impfgelegenheiten wahrzunehmen - in diesem Rahmen gibt es laut
Bundesregierung inzwischen 1100 Aktionen in allen Bundesländern.

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte bei RTL/ntv: «Man muss sich
jetzt impfen lassen, um im Herbst und Winter mit beiden Impfungen
eine vollausgeprägte Immunität zu haben.» Zu möglichen Extra-Anreiz
en
für Impfungen sage er auch als Mediziner: «Irgendwelche größeren
Belohnungen dafür, dass sich jemand impfen lässt, das fände ich aus
ethischer Sicht falsch. Das Impfen an sich ist ja schon der Vorteil.»

Von Bundestag und Bundesrat beschlossene Corona-Neuregelungen wurden
am Dienstag im Bundesgesetzblatt verkündet und treten an diesem
Mittwoch in Kraft. Wesentliche Messlatte zur Lage-Einschätzung soll
demnach die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken sein. Diese
soll die Orientierung an den Infektionszahlen ablösen, die wegen der
Impfungen nicht mehr als so aussagekräftig gelten. Berücksichtigt
werden sollen aber auch weitere Indikatoren. Kritische Schwellen
sollen die Länder festlegen. Möglich wird jetzt auch, dass Kitas,
Schulen und Pflegeheime Beschäftigte nach dem Impfstatus fragen.

In ersten Bundesländern sollen Nicht-Geimpfte bald keinen Anspruch
auf Entschädigung bei Verdienstausfällen wegen angeordneter
Quarantäne mehr haben. Über einen bundesweit einheitlichen Umgang
damit wollen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Mittwoch
kommender Woche beraten. Dies sieht das Bundesinfektionsschutzgesetz
bereits vor, wenn eine Absonderung hätte vermieden werden können,
indem man eine empfohlene Schutzimpfung in Anspruch nimmt.