Auseinandersetzung zwischen Kanzlerkandidaten wird heftiger

Noch zwei Wochen bis zur Bundestagswahl - und wieder stehen die
Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen zusammen in einem
Fernsehstudio. Beim zweiten Schlagabtausch geht es schon spürbar
hitziger zur Sache als vor 14 Tagen.

Berlin (dpa) - Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die
Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen bei einer weiteren
Fernsehdebatte einen teilweise scharfen Schlagabtausch geliefert.
Angesichts der Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des
Zolls versuchten am Sonntagabend Armin Laschet (Union) und Annalena
Baerbock (Grüne) den SPD-Kontrahenten und Bundesfinanzminister Olaf
Scholz unter Druck zu setzen. Die Financial Intelligence Unit (FIU)
gehört in seinen Geschäftsbereich. Bei den Sachthemen gab es kaum
neue Argumente. Auch mit Blick auf den Wirecard- und den
Cum-Ex-Skandal musste sich Scholz verteidigen.

Insgesamt fiel die Debatte, die diesmal von ARD und ZDF ausgetragen
wurde, deutlich kontroverser aus als beim ersten TV-Triell vor zwei
Wochen.

Blitzumfragen im Auftrag von ARD und ZDF sahen Scholz als Gewinner
auch dieses zweiten Triells an. Infratest-Dimap ermittelte für die
ARD, dass 41 Prozent der Zuschauer Scholz am überzeugendsten fanden,
gefolgt von Laschet mit 27 und Baerbock mit 25 Prozent. Laut
Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) sahen 31 Prozent der Befragten Scholz
am glaubwürdigsten an, Baerbock lag mit 25 Prozent hinter ihm,
Laschet rangierte mit 22 Prozent auf dem dritten Platz. Bei der
Frage, wer in der 90-minütigen Runde am sympathischsten rübergekommen
sei, lag Baerbock in beiden Umfragen vorn und Laschet hinten.

Die Themen im Einzelnen:

GELDWÄSCHE

Scholz wurde gefragt, wie gefährlich die Durchsuchungen der
Staatsanwaltschaft Osnabrück in seinem Ministerium im Zusammenhang
mit Ermittlungen gegen FIU-Verantwortliche sein könnten. Er
antwortete, die Untersuchungen seien «zur Unterstützung dieser
Erkenntnisgewinnung durchgeführt worden, und das hat gar nichts mit
den Ministerien zu tun, wo das stattgefunden hat». Die Ministerien
hätten «alles gemacht, was in dieser Frage notwendig ist».

Laschet warf ihm umgehend Schönrednerei vor. «Sie haben die Aufsicht
über (den Bereich) Geldwäsche», hielt er ihm vor. Es sei
unangemessen, wie der Minister im Zusammenhang mit den Durchsuchungen
über die Justiz geredet habe. «Wenn die kommen, müssen Sie sagen,
hier, ich lege alles offen, und denen nicht vorschreiben, wie sie zu
arbeiten haben.»

Laschet warf Scholz auch vor, Millionen Kleinanleger hätten im
sogenannten Wirecard-Skandal viel Geld verloren, weil er als Minister
die Finanzaufsicht nicht richtig ausgerichtet habe. Auch im
Cum-Ex-Skandal um Steuererlasse für die Hamburger Warburg-Bank in der
Zeit von Scholz als Erstem Bürgermeister der Hansestadt attackierte
Laschet den SPD-Konkurrenten.

Baerbock sagte zu den Durchsuchungen im Finanzministerium, sie könne
von außen nicht sagen, was richtig oder falsch sei. Eines der größten

Probleme auch mit Blick auf den Staatshaushalt sei aber, «dass dem
Staat rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetrug, durch
Geldwäsche, durch kriminelle Aktivitäten durch die Lappen gehen».

KLIMASCHUTZ

Laschet und Scholz warfen sich im Zusammenhang mit dem Klimaschutz
bei wichtigen Fragen gegenseitig Blockade vor. Scholz betonte, die
Union habe lange bestritten, dass für den klimagerechten Umbau der
Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Laschet monierte, die SPD habe
Beschleunigungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindert.

Baerbock machte deutlich, mit dem aktuellen Tempo der schwarz-roten
Koalition würden Klimaziele deutlich verfehlt. Die nächste
Bundesregierung müsse den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorziehen.
Bisher ist das Jahr 2038 vorgesehen.

DIGITALISIERUNG

Baerbock, Scholz und Laschet benannten Fortschritte bei der
Digitalisierung als dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung.
«Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht», sagte Laschet. Er
bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein
Digitalministerium einzurichten. Beispielsweise ärgere es ihn
«maßlos, dass wir immer noch selbst auf Autobahnen kein Netz haben».


Baerbock lehnte ein solches Ministerium ab, das Zukunftsthema
Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des Kanzlerinnenamtes,
forderte sie. «Digitalisierung ist oder war, muss man deutlich sagen,
die Aufgabe unserer Zeit», so Baerbock. Beim Glasfaserausbau müsse
der Staat mit eingreifen.

Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld
zur Verfügung gestellt worden sei. «Ich glaube, es liegt schon längst

nicht mehr am Geld.» Es müsse sichergestellt werden, dass mit
finanzieller Hilfe des Bundes die Länder und Gemeinden dafür sorgten,
dass alle Schulen an das Netz angebunden seien.

MIETEN

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schranken gegen
steigende Mieten zu errichten. Es müsse auf Bundesebene ermöglicht
werden, für Städte mit explodierenden Mieten Obergrenzen einzuziehen,
sagte Baerbock. Scholz erläuterte, neben dem Bau von 400 000 neuen
Wohnungen pro Jahr strebe die SPD ein «Mietmoratorium» an, damit bei

Neuvermietungen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten. Laschet
legte den Fokus auf Anreize für Investitionen in zusätzliche
Wohnungen. Nötig sei «mehr und schnelleres Bauen». Dazu müsse man z
um
Beispiel die Bauordnung vereinfachen.

KRANKENVERSICHERUNG

Scholz und Baerbock zogen bei Plänen für eine Bürgerversicherung an
einem Strang. Die Einführung einer solchen Versicherung, in die alle
einzahlen, sei für ihn «eine Herzensangelegenheit schon seit langer
Zeit», sagte Scholz. Besonders im Bereich der Pflege werde deutlich,
dass eine solche Versicherung Sinn habe. Auf die Nachfrage, ob er als
Kanzler eine Bürgerversicherung zur Bedingung für eine Koalition
machen werde, sagte Scholz: «Alles, was in meinem Wahlprogramm steht,
ist eine Bedingung. Und dann gucken wir mal, wie weit wir kommen.»

Baerbock betonte: «Ja, ich will den Weg zu einer Bürgerversicherung
gehen, die bedeutet, dass viel mehr Menschen einzahlen.» Der erste
Schritt sei, «dafür zu sorgen, dass Menschen, die jetzt privat
versichert sind, in die Gesetzliche wechseln können.»

Laschet konterte, er lehne eine Bürgerversicherung ab. «Hier
unterscheiden wir uns fundamental.» Ihn wundere, dass Scholz als
Finanzminister angesichts der Erfahrungen in Europa einen solchen
Vorschlag mache. Die Einheitsversicherung habe in Dänemark oder
Großbritannien ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge.

RENTE

Die Zukunft der Rente war ebenfalls umstritten. Scholz sagte, man
müsse jungen Leuten die Garantie geben werden, dass das
Renteneintrittsalter und das Rentenniveau stabil blieben. Zugleich
müsse man bei der Beschäftigung von Frauen vorankommen. Dies sei gut
auch für die Finanzierung der Rente.

Laschet nannte die Garantie-Aussagen von Scholz nicht seriös. Man
könne nicht Menschen, die heute ins Berufsleben starten, sagen, es
werde alles so bleiben. Es werde parteiübergreifend über die Zukunft
der Rente zu reden sein. So müsse bei der betriebliche Altersvorsorge
ein besseres System gefunden werden, die Riester-Rente sei nicht
effektiv und attraktiv.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach sich für mehr
Fachkräftezuwanderung und einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro
aus. Außerdem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbeiten können, es
gebe aber bisher zu wenig Ganztagsangebote für Kinder.

KOALITIONSFRAGE

Laschet schloss eine Juniorrolle der Union in einer SPD-geführten
Bundesregierung nicht generell aus. «Demokraten untereinander müssen
nach der Wahl miteinander reden», sagte er. Zugleich betonte er: «Wir
kämpfen um Platz 1.» Laschet wich der Frage aber insgesamt aus. Man
sei momentan nicht bei der Regierungsbildung, sondern «beim Werben um
den richtigen Weg für unser Land».

Scholz legte sich erneut nicht eindeutig fest, ob er eine Koalition
zusammen mit der Linken ausschließt. Er betonte aber: «Wer in
Deutschland regieren will, muss klare Positionen haben, er muss sich
bekennen zur transatlantischen Zusammenarbeit, er muss klar sagen,
dass die Nato für unsere Sicherheit unverzichtbar ist, und dass wir
unsere Verpflichtungen im Bündnis erfüllen müssen. Er muss sich klar

zu einer starken, souveränen Europäischen Union bekennen.»

Baerbock betonte, sie kämpfe mit aller Kraft für einen Aufbruch in
Deutschland. «Das geht nur mit Grünen in führender Rolle.» Sie sagt
e
ebenfalls, nach der Wahl müssten alle demokratischen Parteien
miteinander reden. Dabei schloss sie die Linke mit ein. Sie warnte
vor einer Gleichsetzung der Linken mit der AfD. Das sei
«brandgefährlich».