Scharfer Schlagabtausch im zweiten Kanzlerkandidaten-Triell

Noch zwei Wochen bis zur Bundestagswahl - und wieder stehen die
Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen zusammen in einem
Fernsehstudio. Beim zweiten Schlagabtausch geht es etwas heftiger zur
Sache als vor 14 Tagen.

Berlin (dpa) - Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die
Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen bei einer weiteren
Fernsehdebatte einen teilweise scharfen Schlagabtausch geliefert.
Angesichts der Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des
Zolls versuchten am Sonntagabend Armin Laschet (Union) und Annalena
Baerbock (Grüne) den SPD-Bewerber und Bundesfinanzminister Olaf
Scholz unter Druck zu setzen. Die Financial Intelligence Unit (FIU)
gehört in seinen Geschäftsbereich. Auch mit Blick auf den
Wirecard-Skandal musste sich Scholz verteidigen. Insgesamt fiel die
Debatte, die diesmal von ARD und ZDF ausgetragen wurde, deutlich
kontroverser aus als beim ersten TV-Triell vor zwei Wochen.

In den Wahlumfragen liegt die SPD derzeit deutlich vor der Union,
während die Grünen auf einem etwas abgeschlagenen dritten Platz
rangieren.

GELDWÄSCHE

Scholz wurde von den Moderatoren gefragt, wie gefährlich die
Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück in seinem Ministerium
im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen FIU-Verantwortliche sein
könnten. Er antwortete, die Untersuchungen seien «zur Unterstützung
dieser Erkenntnisgewinnung durchgeführt worden, und das hat gar
nichts mit den Ministerien zu tun, wo das stattgefunden hat». Die
Ministerien hätten «alles gemacht, was in dieser Frage notwendig
ist».

Laschet warf Scholz umgehend Schönrednerei vor. «Sie haben die
Aufsicht über (den Bereich) Geldwäsche», hielt er ihm vor. Es sei
unangemessen, wie der Minister im Zusammenhang mit den Durchsuchungen
über die Justiz geredet habe. «Wenn die kommen, müssen Sie sagen
hier, ich lege alles offen, und denen nicht vorschreiben, wie sie zu
arbeiten haben.»

Laschet warf Scholz auch vor, Millionen Kleinanleger hätten im
sogenannten Wirecard-Skandal viel Geld verloren, weil er als Minister
die Finanzaufsicht nicht richtig ausgerichtet habe. Auch im
sogenannten Cum-Ex-Skandal um Steuererlasse für die Hamburger
Warburg-Bank in der Zeit von Scholz als Erstem Bürgermeister der
Hansestadt attackierte Laschet den SPD-Konkurrenten.

Baerbock betonte zu den Durchsuchungen im Finanzministerium, sie
könne von außen nicht sagen, was richtig oder falsch sei. Eines der
größten Probleme auch mit Blick auf den Staatshaushalt sei aber,
«dass dem Staat rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetrug,
durch Geldwäsche, durch kriminelle Aktivitäten durch die Lappen
gehen».

KLIMASCHUTZ

Laschet und Scholz warfen sich im Zusammenhang mit dem Klimaschutz
bei wichtigen Fragen gegenseitig eine Blockade vor. Scholz betonte,
die Union habe lange bestritten, dass für den klimagerechten Umbau
der Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Laschet monierte, die SPD habe
Beschleunigungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindert.

Baerbock machte deutlich, mit dem aktuellen Tempo der schwarz-roten
Koalition würden Klimaziele deutlich verfehlt. Die nächste
Bundesregierung müsse den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorziehen.
Bisher ist das Jahr 2038 vorgesehen.

Scholz sprach sich dafür aus, bei der CO2-Bepreisung im Verkehr
moderat vorzugehen. Es kaufe sich niemand wegen eines steigenden
Spritpreises am nächsten Tag ein neues Auto.

DIGITALISIERUNG

Baerbock, Scholz und Laschet benannten Fortschritte bei der
Digitalisierung als dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung.
«Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht», sagte Laschet. Er
bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein
Digitalministerium einzurichten. Beispielsweise ärgere es ihn
«maßlos, dass wir immer noch selbst auf Autobahnen kein Netz haben».


Baerbock griff Laschet an und sprach sich gegen ein Ministerium aus,
das Zukunftsthema Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des
Kanzlerinnenamtes, forderte sie. «Digitalisierung ist oder war, muss
man deutlich sagen, die Aufgabe unserer Zeit», so Baerbock. Beim
Glasfaserausbau müsse man staatlich mit eingreifen.

Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld
zur Verfügung gestellt worden sei. «Ich glaube, es liegt schon längst

nicht mehr am Geld.» Es müsse sichergestellt werden, dass mit
finanzieller Hilfe des Bundes die Länder und Gemeinden dafür sorgten,
dass alle Schulen an das Netz angebunden seien.

MIETEN

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schranken gegen
steigende Mieten zu errichten. Für Städte mit explodierenden Mieten
müsse man es auf Bundesebene ermöglichen, Obergrenzen einzuziehen,
sagte Baerbock. Scholz erläuterte, neben dem Bau von 400 000 neuen
Wohnungen pro Jahr strebe die SPD ein «Mietmoratorium» an, damit bei

Neuvermietungen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten.

Laschet legte den Fokus auf Anreize für Investitionen in zusätzliche
Wohnungen. Nötig sei «mehr und schnelleres Bauen». Man müsse etwas

machen beim Bauland und die Bauordnung vereinfachen.

KRANKENVERSICHERUNG

Scholz und Baerbock zogen bei Plänen für eine Bürgerversicherung an
einem Strang. Die Einführung einer solchen Versicherung, in die alle
einzahlen, sei für ihn «eine Herzensangelegenheit schon seit langer
Zeit», sagte Scholz. Besonders werde im Bereich der Pflege deutlich,
dass eine solche Versicherung Sinn habe. Auf die Nachfrage, ob er als
Kanzler eine Bürgerversicherung zur Bedingung für eine Koalition
machen werde, sagte Scholz: «Alles, was in meinem Wahlprogramm steht,
ist eine Bedingung. Und dann gucken wir mal, wie weit wir kommen.»

Baerbock betonte: «Ja, ich will den Weg zu einer Bürgerversicherung
gehen, die bedeutet, dass viel mehr Menschen einzahlen.» Der erste
Schritt sei, «dafür zu sorgen, dass Menschen, die jetzt privat
versichert sind, in die Gesetzliche wechseln können.»

Laschet konterte, er lehne eine Bürgerversicherung ab. «Hier
unterscheiden wir uns fundamental.» Ihn wundere, dass Scholz als
Finanzminister angesichts der Erfahrungen in Europa einen solchen
Vorschlag mache. Die Einheitsversicherung habe in Dänemark oder
Großbritannien ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge.

KOALITIONSFRAGE

Laschet schloss eine Juniorrolle der Union in einer SPD-geführten
Bundesregierung nicht generell aus. «Demokraten untereinander müssen
nach der Wahl miteinander reden», sagte er. Zugleich betonte er: «Wir
kämpfen um Platz 1.» Laschet wich der Frage aber insgesamt aus. Man
sei momentan nicht bei der Regierungsbildung, sondern «beim Werben um
den richtigen Weg für unser Land».

Scholz legte sich erneut nicht eindeutig fest, ob er eine Koalition
zusammen mit der Linken ausschließt. Er betonte aber: «Wer in
Deutschland regieren will, muss klare Positionen haben, er muss sich
bekennen zur transatlantischen Zusammenarbeit, er muss klar sagen,
dass die Nato für unsere Sicherheit unverzichtbar ist, und dass wir
unsere Verpflichtungen im Bündnis erfüllen müssen. Er muss sich klar

zu einer starken, souveränen Europäischen Union bekennen.»

Baerbock betonte, sie kämpfe mit aller Kraft für einen Aufbruch in
Deutschland. «Das geht nur mit Grünen in führender Rolle.» Sie sagt
e
ebenfalls, nach der Wahl müssten alle demokratischen Parteien
miteinander reden. Dabei schloss sie die Linke mit ein. Sie warnte
vor einer Gleichsetzung der Linken mit der AfD. Das sei
«brandgefährlich».