Grün-Schwarz ringt um Prioritäten bei Etat: Tilgen oder Investieren? Von Henning Otte, dpa

Beim Haushalt wollte die CDU eigentlich «alte Zöpfe» abschneiden -
doch in den Ministerien der grün-schwarzen Regierung werden eher neue
geflochten. Der Wunschzettel der Ressorts ist lang und teuer. Wie
gehen Kretschmann und Co. damit um?

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Spitzen der grün-schwarzen Koalition haben
sich bei ihren Haushaltsverhandlungen zwar angenähert, aber wichtige
Knackpunkte bleiben bestehen. So ist noch unklar, was mit den 980
Millionen Euro aus dem kaum genutzten Corona-Rettungsfonds für
mittlere Firmen geschehen soll. Wie die Deutsche Presse-Agentur am
Sonntagabend nach Ende der zweistündigen Sitzung in Stuttgart erfuhr,
soll der Beteiligungsfonds zwar wie geplant Ende September aufgelöst
werden - aber die Frage, wofür das Geld eingesetzt werden soll, ist
noch nicht geklärt. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz erklärte
dazu: «Wenn es nach uns Grünen geht, werden wir nicht abgerufene
Mittel nutzen, um Schulden zurückzuzahlen.»

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte vorgeschlagen, die eine
Hälfte des Fonds in die Tilgung der Corona-Schulden zu stecken und
die andere Hälfte für einen weiteren Risikopuffer zu nutzen, falls
die Pandemie noch länger anhält. Das CDU-geführte
Wirtschaftsministerium will das Geld - wenn möglich - auch nach einer
Auflösung des Fonds für eigene Projekte nutzen. Allerdings müssen die

Mittel zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie eingesetzt werden. Dem
Vernehmen nach ist die CDU-Spitze durchaus auch dafür, mit einem Teil
Schulden zu tilgen. Über Summen muss demnach noch gesprochen werden.

Bayaz: «Wir kommen langsam aus der Krise»

Schwarz, Bayaz und CDU-Fraktionschef Manuel Hagel zeigten sich
grundsätzlich zufrieden mit der ersten von drei Sitzungen der
Haushaltskommission innerhalb einer Woche. «Wir haben erste wichtige
Einigungen erzielt», sagte der Finanzminister. «Wir kommen langsam
aus der Krise, auch beim Haushalt. Wir werden ohne neue Kredite
auskommen und zudem werden wir in die Zukunft unseres Landes
investieren mit Schwerpunkten auf Digitalisierung, Klimaschutz und
Bildung.» Hagel erklärte: «Wir setzen auf Verlässlichkeit,
Stabilität, Sparsamkeit und Solidität. Wir setzen aber auch auf
Zukunft und Investitionen. Wichtig ist jetzt die bestmögliche
Einbindung unserer Fraktion bei den nächsten Schritten.»

Ein Wunschzettel wie an Weihnachten

Zu den weiteren großen Knackpunkten äußerten sich die Politiker
nicht. Die Ministerien hatten trotz des eher geringen finanziellen
Spielraums wegen der Corona-Krise neue Ausgaben in Höhe von knapp 2,4
Milliarden Euro angemeldet, wie die dpa aus Regierungs- und
Fraktionskreisen erfuhr. Zudem wollen die Ressorts zahlreiche neue
Stellen schaffen oder befristete Stellen weiterlaufen lassen. Unterm
Strich wären das dem Vernehmen nach über 4200 Stellen.

Dabei hatte Bayaz vor der Sommerpause schon vorgebaut und gesagt, der
Etat 2022 sei ein «Haushalt des Übergangs», bei dem kaum große
Sprünge möglich seien. Hintergrund dafür ist, dass die
Steuereinnahmen wegen Corona eingebrochen waren und das Land mit
Milliarden Euro die Wirtschaft gestützt und Schutzmaßnahmen
finanziert hat. Allerdings zieht die Konjunktur wieder an und
Grün-Schwarz hat absehbar wieder mehr Mittel zur Verfügung. Die
Haushaltskommission unter Leitung von Ministerpräsident Winfried
Kretschmann (Grüne) trifft sich an diesem Montagabend erneut. Dann
sollen die Fachminister ihre Wünsche vor dem Gremium begründen.

Budget für Mehrausgaben nun doch deutlich höher

Schon vor der Sommerpause hatten sich die Spitzen der Koalition
darauf verständigt, die Schuldenbremse nach zwei Ausnahmen
hintereinander wieder einhalten zu wollen. Den Korridor für
Mehrausgaben hatten sie beim Beschluss der Eckpunkte im Juli auf 345
Millionen Euro festgelegt. Allerdings sieht es nun so aus, dass der
Spielraum doch deutlich größer ist als vor der Sommerpause erwartet.

So will das Finanzministerium Mittel in Höhe von 343 Millionen Euro
aus dem dritten Nachtragsetat für langfristige Projekte verwenden,
die sich aus früheren politischen Festlegungen ergeben. Zudem geht
das Land von einem höheren Überschuss aus dem Jahr 2020 aus: Mit den
hier zusätzlich erwarteten 227 Millionen Euro ergibt sich ein Budget
für Mehrausgaben in Höhe von 915 Millionen Euro.

Dennoch liegt zwischen dem angemeldeten Finanzbedarf und dem
vorhandenen Geld für Investitionen eine Lücke von etwa 1,5 Milliarden
Euro. Zudem mussten die Ressorts nach einem bestimmten Schlüssel
insgesamt 250 Millionen Euro sparen.

Finanzminister hat Begehrlichkeiten abgewehrt

Bayaz hatte in den vergangenen Wochen mit den Fachministern in den
sogenannten Chefgesprächen über Prioritäten und Bedarfe gesprochen.
In seiner Vorlage für die Haushaltskommission erkennt er Mehrausgaben
in Höhe von 656 Millionen Euro an, hieß es. Davon seien aber 500
Millionen Euro schon verplant für Projekte wie etwa den
Breitbandausbau oder das Programm Rückenwind für Schülerinnen und
Schüler, die während der Corona-Krise ins Hintertreffen geraten sind.
Nach dieser Rechnung bliebe noch ein Budget von 259 Millionen Euro
für weitere Mehrausgaben.