RKI-Präsident: Wirksamkeit der Grippe-Impfstoffe schwer abzuschätzen

Berlin (dpa) - Die Wirksamkeit der Grippe-Impfstoffe für die
anstehende Saison lässt sich dem Präsidenten des Robert
Koch-Instituts (RKI) zufolge kaum abschätzen. «Die Datenbasis, auf
der der Impfstoff erarbeitet wurde, ist nicht so gut wie die
Datenbasis der Vorjahre», sagte Lothar Wieler zum Start der
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie
(DGHM) am Sonntag in Berlin.

In jeder Influenza-Saison kursieren andere Virusvarianten, daher
müssen Impfstoffe jährlich angepasst werden. Grundlage bildet ein
weltweites Netzwerk von Überwachungsstellen, mit der die um den
Globus laufende Grippewelle verfolgt und analysiert wird. Wegen der
Corona-Pandemie sei aber zum einen ein Teil dieses Systems
zusammengebrochen, erklärte Wieler. Zum anderen habe es im Zuge der
Schutzmaßnahmen vielfach weit weniger Influenza-Fälle gegeben, auch
das mache Rückschlüsse auf die in dieser Saison am stärksten
kursierenden Grippestämme schwierig.

Für Deutschland hatte das RKI im vergangenen Winter mit nur einigen
Hundert im Labor bestätigten Fällen die wohl schwächste Grippe-Saison

seit Jahrzehnten erfasst - im Jahr davor waren es noch mehr als 180
000 Fälle. Nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am
RKI wurden nicht einmal die Kriterien für den Beginn einer
Grippewelle erfüllt, wie es hieß. «Es hat in dieser Saison überhaup
t
keine Grippewelle gegeben.» Auch die meisten anderen Länder der
Nordhalbkugel blieben demnach von der Welle verschont.

Grund für das Ausbleiben waren die vielerorts geltenden
Corona-Maßnahmen wie Mindestabstände, Masken, Homeoffice-Regelungen
und Schulschließungen. Ob es in diesem Jahr mit den inzwischen
deutlich reduzierten Maßnahmen zu einer starken Grippewelle kommt,
lässt sich Wieler zufolge noch nicht abschätzen. «Wenn wir eine
Influenza-Welle bekommen, kommt sie obendrauf auf die vierte
Corona-Welle.» Die Krankenhäuser bereiteten sich bereits auf dieses
Szenario vor.

Bei anderen Atemwegsinfektionen wie RSV zeigt sich dem
RKI-Präsidenten zufolge bereits ein Anstieg der erfassten Fälle.
Generell sei zu befürchten, dass es in diesem Herbst und Winter
wieder zu deutlich mehr Atemwegsinfektionen kommt - mit
entsprechender Belastung der Krankenhäuser. Auch das sei neben der
Corona-Lage ein guter Grund dafür, Schutzmaßnahmen wie das
Masketragen den gesamten Winter über beizubehalten.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte Anfang September die ersten
Grippe-Impfstoffe für Herbst und Winter freigegeben. Das für
Impfstoffe zuständige Bundesinstitut hatte die ersten 10,7 Millionen
Dosen für den deutschen Markt geprüft. Dabei geht es vor allem um die
Qualitätskontrolle, nicht um die Wirksamkeit. Insgesamt stehen dem
PEI zufolge in diesem Jahr neun Impfstoffe gegen Influenza zur
Verfügung.