Kanzleramtsminister: Geimpfte werden mehr Freiheiten haben

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt - groß ist die Sorge vor
einer vierten Welle. Kanzleramtsminister Braun rät eindringlich zur
Impfung. Die Kommunen hingegen richten einen Appell an die Politik.

Berlin (dpa) - Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hat die Menschen
zur Corona-Impfung aufgerufen und mögliche Einschränkungen im Herbst
für Ungeimpfte angekündigt. Es gebe zwei Argumente für die Impfung,
sagte Braun der «Bild am Sonntag». Die Impfung schütze zu 90 Prozent

vor einer schweren Corona-Erkrankung. «Und: Geimpfte werden definitiv
mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte.»

Solange die Impfstoffe gegen die Delta-Variante so gut helfen, sei
ein klassischer Lockdown nicht mehr nötig, sagte Braun. Aber wenn
Deutschland eine hohe vierte Welle bekäme, würde das nicht ohne
Auswirkungen bleiben. «Bei hohem Infektionsgeschehen trotz
Testkonzepten würden Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren müssen»,
erklärte er. «Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie
Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte
nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist.»

Auf die Frage, ob das rechtlich zulässig wäre, antwortete Braun mit
einem «Ja». «Der Staat hat die Pflicht, die Gesundheit der
Bürgerinnen und Bürger zu schützen», erklärte er. «Dazu gehör
t ein
Gesundheitswesen, das im Winter nicht erneut Krebs- und
Gelenkoperationen zurückstellen muss, um Corona-Patienten zu
behandeln. Und dazu gehört auch der Schutz derjenigen, die ungeimpft
sind.»

Wenn die Inzidenz wie erwartet steige, werde es auch sehr schwer
werden, die Infektionen aus den Schulen herauszuhalten. «Daher ist
für mich ganz klar: Eltern, Lehrer, Hausmeister und Schulbus-Fahrer
müssen sich impfen lassen. Wenn diese Gruppen alle geimpft sind, ist
die Gefahr für die Kinder geringer.» Zudem müsse die Maskenpflicht in

öffentlichen Bussen und Bahnen und im Schulunterricht konsequent
gelten, wo Abstand und Lüftung nicht ausreichten.

Unterdessen appellierten die Kommunen an Bund und Länder, einen
weiteren Corona-Lockdown im Herbst zu verhindern. Ein Lockdown wäre
verheerend für die Menschen, aber auch für die Wirtschaft, sagte der
Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg,
den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Viele Bürgerinnen und
Bürger würden eine solche Maßnahme kaum akzeptieren, meinte er. Bund

und Länder müssten sich zeitnah darauf verständigen, welche Maßst
äbe
wann und wo gelten für weitere Einschränkungen im Herbst.

«Es ist absehbar, dass die Inzidenzzahlen weiter steigen werden»,
sagte Landsberg. Die Krankheitsverläufe seien aber weniger
gravierend, da in erster Linie eher jüngere Menschen betroffen seien.
Es müsse ein neuer Maßstab gefunden werden. «Er muss die Inzidenz,
aber auch die Belastung der Krankenhäuser in den Blick nehmen. Das
sollte bundeseinheitlich zwischen den Ländern vereinbart werden»,
forderte Landsberg. «Wir müssen vermeiden, dass in einem Land die
Restaurants wieder schließen, weil die Inzidenz über 100 steigt und
in einem anderen Land dies schon bei 50 oder erst bei 150 erfolgt.»

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Samstag sind in
Deutschland 49,1 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Mindestens
eine Impfdosis haben 60,8 Prozent der Bevölkerung bekommen.