Mertens kritisiert Drängen auf umfangreiche Kinderimpfung

Berlin (dpa) - Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko),
Thomas Mertens, hat die politische Debatte um eine Massenimpfung von
Kindern und Jugendlichen vor dem neuen Schuljahr kritisiert.
Grundsätzlich sei bedauerlich, dass dies zu einem politischen Thema
geworden sei, noch bevor es eine Zulassung für einen Impfstoff
gegeben habe, sagte Mertens am Samstag auf dem Online-Kongress für
Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. «Von diesen ganzen Aussagen
war ja praktisch nichts wirklich evidenzbasiert, muss man fairerweise
sagen. Und leider Gottes ist in dieser Phase die entscheidende
Problematik, nämlich brauchen Kinder und Jugendliche diese Impfung,
überhaupt nicht angesprochen worden.»

Infektionen bei dieser Altersgruppe verliefen bekanntlich sehr häufig
asymptomatisch oder mild. Mertens sagte, es habe insgesamt 1849 Fälle
gegeben, bei denen es Einweisungen ins Krankenhaus gegeben habe. Dies
sei ein Prozent der schon geringen Zahl gemeldeter Fälle. Zum Teil
seien Kinder auch wegen Blinddarmentzündungen ins Krankenhaus
gekommen und dann positiv getestet worden. Von den Hospitalisierungen
sei dann ein Prozent intensivmedizinisch behandelt worden.

Die Schwere der Krankheitsverläufe steige aber in der Gruppe der über
60-jährigen stark an. «Wenn man damals, wie ursprünglich geplant,
fünf Millionen Impfstoffdosen für Kinder beiseite gelegt hätte, dann

wären das ja fünf Millionen Impfstoffdosen gewesen, die für die
Impfung der Eltern gefehlt hätten», so Mertens. «Also ich kann nur
noch mal sagen: Vieles von dem, was da auf der politischen Bühne vor
der Zulassung schon diskutiert ist, hält eigentlich einer kritischen
Betrachtung nicht stand.»

Die Stiko hatte keine generelle Impfempfehlung für Kinder und
Jugendliche ab 12 Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen gegen
das Coronavirus nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten
Vorerkrankungen. Laut Zentralinstitut für die kassenärztliche
Versorgung der Bundesrepublik Deutschland betrifft das etwa elf
Prozent der Heranwachsenden dieser Altersgruppe - insgesamt rund eine
halbe Million Kinder und Jugendliche.